Heile Welt oder trostlose Brache? Eine Fahrt durch Tirol bietet wohl einiges an diesen Gegensätzen, berichten Susanne Fritzer (Feyferlik/Fritzer), Anna Popelka (PPAG) und Hannes Stiefel (Stiefel & Company Architects) – die diesjährige Jury für die Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2014. Die Tiroler Landschaft, vom unangemessenen Flächenverbrauch aus dem Gleichgewicht gebracht, benötigt laut der Jury einen sensiblen architektonischen Zugang und folglich einen Dialog mit dem Bestand. Dialog war denn auch eines der wichtigsten Kriterien in der Beurteilung der Jury, die vergangenen Donnerstag aus insgesamt 66 eingereichten Arbeiten zwei Auszeichnungen und zwei Anerkennungen vergab:
Auszeichnungen:
Anerkennungen:- Johannes Wiesflecker
BG/BRG Kufstein, 2009–13
- parc architekten (Michael Fuchs, Barbara Poberschnigg)
Gemeindekulturzentrum St. Nikolaus, Ischgl, 2011–13
Eingereicht werden konnten Bauten, die in Tirol zwischen 2012 und 2014 fertig gestellt wurden. 14 Projekte kamen in die engere Wahl und wurden von der Jury besichtigt. Landesrätin Beate Palfrader bemerkt, dass bei den diesjährigen Auszeichnungen alle Bauten „ein starkes Gegenüber“ vorzuweisen haben – sei es, dass diese neben denkmalgeschütztem Bestand entstanden wie der Schulneubau in Kufstein oder vom „harten Umfeld“ der Event- und Tourismusarchitektur umgeben sind wie das Gemeindekulturzentrum in Ischgl.
Das
Festspielhaus von Delugan Meissl, das sich wie ein Raumschiff über der grüne Landschaft erhebt, tritt in Dialog mit dem 1959 von Robert Schuller erbauten Passionsspielhaus. Der schwarze, nach vorn strebende neue Baukörper bildet einen starken Kontrast zu den runden und weichen Formen des Bestandsbaus. Die zwei in gegensätzliche Richtungen auseinanderdriftenden Volumen bilden in der freien Landschaft eine seltsame und in sich ruhende Einheit.
Mit ruhigeren Stilmitteln fügt sich das
Haus für Kinder in Inzing ein. Das weiße, schlichte Gebäude beschreibt Hannes Stiefel: „Der sich eigenständig in das örtliche Erscheinungsbild einfügende Baukörper erzielt durch sorgfältig orientierte Gebäudeteile sowie präzis gesetzte Durch- und Ausblicke atmosphärische Durchdringungen von Innen- und Außenräumen, von Programmpunkten des Dorfes und des Hauses“.
Vor der erwähnten „harten Umgebung“ in Ischgl zieht sich das neue
Gemeindekulturzentrum St. Nikolaus halb unter die Erde zurück. Damit wurde „der ehemalige Dorfanger als Dachfläche des Kulturzentrums wiederhergestellt: als öffentlich begehbare Wiesenfläche mit verstreuten neuen Baukörpern, die maßstäblich der früheren Dorfstruktur entsprechen“, sagt Susanne Fritzer.
Die zerknitterte Fassade des
BG/BRG Kufstein – ein Kunstprojekt von Karl-Heinz Klopf – ist von innen sichtbar. Auch dieses Schulneubau-Projekt ist ein Erweiterungsbau, dessen Dialog mit dem Bestand die Jury durch „ständigen Außenbezug und die zahlreichen Durch- und Einblicke“ zwischen beiden Baukörpern überzeugte.
Diese vier und alle eingereichten Projekte sind noch bis zum 15. November 2014 in einer Ausstellung im Innsbrucker Haus der Architektur
aut, architektur und tirol zu sehen.
Fotos: David Schreyer, Karl Heinz, Brigida González
Zum Thema:
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Objektbericht BG/BRG Kufstein im Baunetz Wissen Beton