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10.05.2012
Die weißen Nächte von Dessau
Ausstellungsbericht aus London
Schluss mit der immer gleichen Aneinanderreihung von Freischwingern: Die Londoner Barbican Art Gallery widmet dem Bauhaus zurzeit die umfassendste Ausstellung in Großbritannien seit vier Jahrzehnten. Der Fokus der Schau liegt nicht nur auf den Arbeiten der Studierenden und Professoren. Unter dem Titel „art as life“ rückt vor allem das Leben an der Schule selbst in den Mittelpunkt, wo die Moderne weniger mit Dogmen als vielmehr mit Humor, Charme und Jazz aus der Taufe gehoben wurde.
Entworfen wurden am Bauhaus schließlich nicht nur die Vorboten künftiger Produkte: Auch das Leben selbst – von Einladungen, Grußkarten bis hin zu rauschenden Kostümfesten – wurde in den Gestaltungsprozess einbezogen. „Das Leben am Bauhaus war undenkbar ohne den musikalischen Hintergrund seiner vielen Parties – einige von ihnen improvisiert, andere sorgfältig und schön in Szene gesetzt“, bemerkte der Bauhaus-Schüler Theodore Lux Feininger, der mit seiner Fotokamera das Leben an der Schule festhielt und selbst für einige Jahre in der Bauhaus-Jazzband spielte.
Seine Aufnahmen und zahlreiche andere Dokumente, die in der Ausstellung zu sehen sind, erlauben einen ungewohnten wie frischen Blick auf die Mutter der Moderne. Marianne Brandt wird nicht einsam schraubend in der Metallwerkstatt gezeigt, sondern als lebenslustiges Partygirl, das sich selbstironisch zu kostümieren (mit seitlich sitzender Schelle als Hut und Heiligenschein mit einer Rassel um den Hals) und vor der Kamera zu inszenieren wusste. Was die Fotos dokumentieren, ist mehr als der Moment, in dem sie entstanden sind. Sie zeigen, wie die Schüler am Bauhaus rund um die Uhr kreativ sein mussten und diese Rolle gern annahmen. Gestaltung war schließlich keine Tätigkeit für einige wenige Stunden. Sie wurde zu einer Haltung, die das gesamte Leben umfasste und damit auch die Mechanismen der heutigen Kreativindustrie frühzeitig vorwegnahm. (Norman Kietzmann)
Ausstellung: noch bis 12. August 2012
Ort: Barbican Art Gallery, Barbican Centre, Silk Street London, EC2Y 8DS
Zum Thema:
Was es noch in der Londoner Ausstellung über das Leben am Bauhaus zu entdecken gab, erfahren Sie in einem Bericht auf Designlines.
Baunetzwoche#208: Hotspot Barbican
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Marcel Breuer and his Harem (Martha Erps, Katt Both and Ruth Hellos), 1927.
Lis Beyer or Ise Gropius sitting on the B3 club chair by Marcel Breuer and wearing a mask by Oskar Schlemmer and dress fabric by Lis Beyer, c. 1927.
T. Lux Feininger: Sport at the Bauhaus / Jump over the Bauhaus, c. 1927.