Am 13. März feierte der belgische Architekt Lucien Kroll seinen 95. Geburtstag. Pünktlich zum halbrunden Geburtstag eröffnet am Samstag in Berlin die Ausstellung „Lucien Kroll in Hellersdorf. Eine Baustelle“. Die Schau wirft einen konzentrierten Blick auf ein ungewöhnliches Projekt der Nachwendezeit. Damals verloren die Großsiedlungen im Osten der Stadt rapide an Attraktivität. So mancher, noch gar nicht alter Plattenbau war bereits sanierungsbedürftig, wie zum Beispiel das Quartier Alte Hellersdorfer Straße mit seinen strengen Scheibenwohnhochhäusern.
Die Eigentümerin des Quartiers – die Wohnungsbaugesellschaft WoGeHe – lud 1994 Krolls Atelier d’Urbanisme, d’Architecture et d’Informatique (Brüssel) ein, einen langfristigen Plan für die Entwicklung der Wohnbauten und Freiräume zu erstellen. Kroll schlug einen über 25 Jahre dauernden, partizipativen Prozess mit den Bewohner*innen vor, in dem die Bauten teils rückgebaut und teils individuell erweitert werden sollten. Auch eine Qualifizierung der Freiräume wurde angestrebt.
Das ambitionierte Projekt blieb unrealisiert und geriet weitgehend in Vergessenheit. 1996 erschien in Paris die Projektdokumentation Enfin chez soi, Réhabilitation de Préfabriqués. In wenigen Wochen soll die deutsche Übersetzung des Buches – ergänzt um kontextualisierendes Text- und Bildmaterial – im adocs Verlag erscheinen. Bereits ab Samstag, 26. März 2022 kann man sich im Projektraum station urbaner kulturen der neuen Gesellschaft für bildende Kunst nGbK in Hellersdorf vor Ort ein Bild machen, was sich Kroll und sein Team damals ausdachten – und zugleich die Frage stellen, warum Krolls Arbeit heute überraschend wenig rezipiert wird.
Begleitend zur Ausstellung finden drei Studiogespräche statt. Am Tag der Eröffnung um 15 Uhr wird Urs Kohlbrenner aus seiner Zeit als Planer des Quartierskonzepts Hellersdorf Anfang der 1990er Jahre berichten. Kohlbrenner brachte Kroll damals nach Berlin.
Am Dienstag, 29. März um 18 Uhr spricht Inken Baller, die damals als Kontaktarchitektin Krolls fungierte. Den Abschluss bildet ein Talk in Englisch am Donnerstag, 31.März um 18 Uhr mit Dag Boutsen (KU Leuven) und Rob Hendriks vom Groninger Büro DAAD Architects, die 1994–96 für Kroll in Hellersdorf arbeiteten. Alle Gespräche sollen auch auf Zoom gestreamt werden.
Soft Opening: Samstag, 26. März 2022, 17 Uhr
Ausstellung: 27. März bis 28. Mai 2022, Donnerstag und Samstag 15–19 Uhr
Ort: station urbaner kulturen der nGbK, Auerbacher Ring 41, 12619 Berlin, Eingang Kastanienboulevard, neben Lebenshilfe e.V.
Die Veranstalter*innen bitten um vorherige Anmeldung per Email. Es ist ein 3G-Nachweis erforderlich. Es gilt die FFP2-Maskenpflicht.
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Pekingmensch | 24.03.2022 07:36 UhrLouvain
Schade, dass dieses Projekt nicht umgesetzt wurde. Es waere zweifelsohne eine Bereicherung fuer Hellersdorf geworden. Als junger Student habe ich vor vielen Jahren Krolls beruehmten Wohnkomplex fuer die Universitaet Louvain nahe Bruessel besucht: sehr charmant, improvisiert und flexibel. Ein alternatives Wohnungsbaumodell, ueber das man diskutieren sollte.