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12.12.2016

Grenzgänger und Visionär

Ausstellung in Salzburg über Walter Pichler


Von Anna-Lena Wenzel

Wenn Architekten in Kunstmuseen ausgestellt werden, dann kann das zweierlei bedeuten: Ihre Entwürfe waren entweder so radikal utopisch, dass sie weniger wegen ihrer Bauten, denn als Visionäre in die Geschichte eingegangen sind. Oder sie waren gleichzeitig Künstler, Designer und Architekten und bewegten sich damit zwischen den Disziplinen. Walter Pichler (1936–2012) war sowohl ein Visionär als auch ein disziplinärer Grenzgänger, der mit seinen Skulpturen, Installationen und architektonischen Entwürfen schon früh im Kunstkontext gezeigt wurde.

Seine erste Ausstellung hatte Pichler gemeinsam mit Hans Hollein 1963 in der Galerie nächst St. Stephan in Wien. Sie zeigten utopische Stadtmodelle und plastische Projekte, die sich mit dem Raum und seiner individuellen Wahrnehmung auseinandersetzten. Gemeinsam wollten sie die Architektur von den Zwängen des Bauens befreien und die Skulptur aus den Zwängen erstarrter Abstraktion lösen. Wie selbstbewußt beide damals auftraten, kann man dem Vorwort ihrer Publikation entnehmen: „Wir beschlossen, gemeinsam eine Ausstellung unserer unabhängig voneinander entwickelten Arbeiten zu machen, die zeigen wird, in welche Richtung die Architektur gehen muss.“ Es folgten eine Ausstellung im Museum of Modern Art in New York (1967) und Teilnahmen an der documenta 4 (1968) und der documenta 6 (1977).

Nach diesem „Gang in die Welt“ und der großen öffentlichen Aufmerksamkeit zog sich Pichler aufs Land zurück. 1972 kaufte er ein Anwesen in St. Martin im Burgenland. Dieses baute er sukzessive um und schuf sich damit nicht nur einen Arbeitsraum, sondern auch einen Ausstellungsort für seine Werke. In der Ausstellung sind Fotos zu sehen, die zeigen, wie sehr er sich dabei an ortstypischer Architektur orientiert hat. In den dokumentarischen Filmen, die eigens für die Ausstellung entstanden, bekommt man darüber hinaus Einblick in weitere Bauten, die zwischen 1994 und 2014 (also posthum) entstanden sind. Dabei fasziniert die Präzision seiner Bauten, die hochindividuell sind und sich gleichzeitig gekonnt in den sie umgebenden Raum einbetten.

Die Ausstellung im Museum der Moderneauf dem Mönchsberg in Salzburg ist eine umfangreiche und sehr sehenswerte Werkschau, die zwischen Kunstausstellung und Dokumentation pendelt und die ganze Bandbreite von Pichlers Schaffen zeigt. Sie resultiert aus einer langjährigen Zusammenarbeit des Architekten und der Direktorin des Hauses, Sabine Breitwieser, die für die Ausstellung auf Dauerleihgaben der Generali Foundation und unveröffentlichte Materialien aus dem Nachlass des Künstlers zurückgreifen konnte.

Neben der prägnanten Werkserie der Prototypen, die zwischen 1966 und 1969 entstand, werden weitere Skulpturen und Designobjekte gezeigt. Eine Reihe von Skizzen sowie drei Filme über realisierte Bauprojekte ergänzen die Ausstellung. Die Biografie Pichlers ist mit gesellschaftspolitischen Ereignissen verknüpft, und in mehreren Vitrinen liegen Publikationen und Zeitschriften wie Bau – Schrift für Architektur und Städtebau, die Pichler mitherausgab, aus.

Seine Skulpturen und Prototypen schwanken zwischen Abstraktion und Anwendbarkeit, zwischen Zeitlosigkeit und ihrem Status als Zeichen der Zeit. Oftmals greifen sie gesellschaftspolitische Entwicklungen und Fragestellungen auf, etwa Weltraumerkundung, Atomtechnik und die Medialisierung des Alltags – ohne sich dabei eindeutig politisch zu verhalten. Aus ihnen spricht sowohl ein visionäres wie auch skeptisches Bewusstsein für kommende Entwicklungen. Sein „TV-Helm (tragbares Wohnzimmer)“ von 1967 wirkt wie ein Prototyp für Augmented-Reality-Brillen, seine Hand-Prothese wie eine Vorwegnahme heutiger hochspezialisierter Prothetiken, die aufblasbaren, durchsichtigen Kugeln sind zugleich Schutzräume und Isolierzellen. Die Verwendung von industriell hergestellten Materialien, pneumatischen Elementen und technischen Neuerungen geben seinen Arbeiten etwas Kühles, doch gleichzeitig gerät bei Pichler die menschliche Dimension nie aus dem Blickfeld.

Die Ausstellung Pichler. Radikal: Architektur & Prototypen ist vom 26. November 2016 bis zum 5. März 2017 im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg in Salzburg zu sehen.


Zum Thema:

www.museumdermoderne.at


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TV-Helm (Tragbares Wohnzimmer), 1967, Sammlung Generali Foundation, Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg

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Walter Pichler zeigt Prototyp, 1967

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Kleiner Raum (Prototyp 4), 1967, Nachbau aus dem Jahr 1998, Sammlung Generali Foundation, Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg

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