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10.11.2017
Und täglich grüßt die Nasszelle
Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg
Von Diana Artus
„Never Ending Stories“ lautet der Titel einer umfassenden Schau über den Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Politik, die noch bis zum 18. Februar 2018 im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen ist. Sie bietet eine faszinierende Reise durch die Kulturgeschichte der Endlosschleife, vom Ouroboros der Antike – dem Motiv der Schlange, die sich in den Schwanz beißt – bis hin zu Norman Fosters kreisrundem Apple Campus.
Der Eindruck grenzenloser Weite und das klaustrophobische Gefühl des Gefangenseins in einem geschlossenen System – diese beiden konträren Empfindungen lassen sich derzeit im Kunstmuseum Wolfsburg unmittelbar hintereinander durchleben. Besucher sollten Zeit mitbringen für diese Ausstellung. Nicht nur, weil sie eine Vielzahl an Bildern, Objekten und Filmen versammelt, sondern auch, weil man sich in deren Betrachtung geradezu verlieren kann. Schon im Eingangsbereich laufen auf Monitoren zeitgenössische Mantras, die zur Kontemplation einladen – animierte GIFs, kreisende Fische, flackerndes Kaminfeuer. Insgesamt 26 thematische Räume reihen sich auf zwei Etagen aneinander, es geht um „Zirkelschlüsse“, „Teufelskreise“, „Die Verdauung der Welt“ und vieles mehr.
Nie realisierte Revolutionsarchitektur
Aus Architekturperspektive interessant sind einige Blätter des argentinischen Konzeptkünstlers León Ferrari aus den Achtzigerjahren. Im Stil von Planskizzen zeigen die Blaupausen aus seiner Serie „Architecture of Madness“ paradoxe Grundrisse und labyrinthische Autobahnen, auf denen nichts mehr geht. Direkt daneben hängen M. C. Eschers verschachtelte Gebäude. Und auch eine Doppelseite aus einem Comic von Marc-Antoine Mathieu über eine surreale, aus seltsamen Ministerien und Ämtern bestehende Welt voller physikalischer Unmöglichkeiten sticht klein, aber fein hervor.
Außerdem zu sehen sind zwei unrealisierte Entwürfe von Vertretern der französischen Revolutionsarchitektur – Claude-Nicolas Ledoux’ Bordell in Kreisform, das „Maison de Plaisir“ von 1780, und Étienne-Louis Boullées kugelförmiger Monumentalbau „Kenotaph für Isaac Newton“ von 1784 – sowie ein Modell des „CCTV Towers“ von OMA. Niklas Maak beschreibt die 2012 in Peking eröffnete Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens in Form einer Hochhausschleife im Ausstellungskatalog als das Bild einer „medialen Sisyphosmaschine“.
Gregor Schneiders kafkaeske Raumschleifen
Das räumliche Zentrum der Ausstellung bildet Gregor Schneiders Arbeit „Bad“ – sie nimmt über ein Viertel der Fläche ein. Nach all dem Anschauungsmaterial zum Loop wird dieser hier zur körperlichen Erfahrung. Wer will, kann stundenlang durch das scheinbar immer gleiche triste Badezimmer wandern, das Schneider 21 Mal hintereinander gebaut hat und in dessen aggressivem Neonlicht wenig mehr zu sehen ist als eine verschlossene, tropfende Duschkabine und ein Spiegel.
Eintönigkeit und Beklemmung machen sich breit, Assoziationen zu genormten Nasszellen in anonymen Hochhausetagen und öffentlichen Waschräumen stellen sich ein – nichts wie raus! In Schneiders Raumgefüge ist das allerdings nicht ganz so einfach. Ist man einmal eingetreten, geht es nicht zurück, die Tür, die knallend hinter einem ins Schloss fällt, hat innen keine Klinke. Beruhigend zu wissen, dass es Notausgänge gibt. Denn jeder geht allein durch die kafkaeske Raumschleife, nur das ferne Schlagen der Türen verweist auf andere.
Fantastische LED-Galaxie
Während sich Schneiders eindrückliche Inszenierung auf der größten Fläche abspielt, ruft ausgerechnet eines der kleinsten Kabinette eine komplett gegensätzliche Empfindung hervor. In ihrer Rauminstallation „Infinity Mirrored Room – The Souls of Millions of Light Years Away“ hat die japanische Künstlerin Yayoi Kusama – bekannt für ihre obsessive Wiederholung des Motivs großer Punkte, mit denen sie bevorzugt ganze Räume in psychedelische Landschaften verwandelt – ein aus verspiegelten Wänden und hunderten flackernden LED-Leuchten bestehendes, fantastisches Universum geschaffen. Auch hier tritt jeder einzeln ein und steht unvermittelt inmitten einer sich scheinbar ins Unendliche erstreckenden Galaxie.
Der Ausstellungsrundgang schließt mit Sandra Filics Plattenspielerinstallation „Loop“. Das knisternde Geräusch der Auslaufrille einer Schallplatte markiert den Ausgang. Zuvor passiert man eine fast wandfüllende Öffnung, die den Blick auf einen der ersten Räume des Parcours freigibt – wer einen großen Schritt nach links macht, kann also einfach noch mal von vorn beginnen.
Zum Thema:
Die Ausstellung ist bis zum 18. Februar 2018 im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen.
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Unter dem Titel „Infinity Mirrored Room - The Souls of Millions of Light Years Away“ hat die Künstlerin Yayoi Kusama einen Raum mit Spiegeln und LED-Leuchten gestaltet. 2013, Sammlung HGN
Gregor Schneiders Installation „Bad“ von 2014 besteht aus 21 Räumen. Sammlung des Künstlers
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