„Boden für Alle“ – das klingt zunächst nach einer linken Kampfthese. Die so betitelte Ausstellung im Architekturzentrum Wien, die am Mittwoch, 9. Dezember eröffnet, fordert allerdings nicht die beliebige Nutzung des Bodens durch jedermann, sondern den schonenden Umgang damit – ein Thema der Stunde, wie schon die kürzlich im Berliner DAZ ausgerichtete Ausstellung „Die Bodenfrage“ zeigte. Denn Grund und Boden sind begrenzt und damit ein kostbares gesellschaftliches Gut. Dennoch haben wir ein System geschaffen, das den zunehmenden Flächenverbrauch erfordert – so eine der Thesen der Ausstellung, die mit Fakten untermauert wird: Beispielsweise stieg die Bevölkerung in Österreich in den Jahren von 2001 bis 2018 um 9,9 Prozent, die verbaute Fläche aber um ganze 26 Prozent. Die beiden Kuratorinnen Karoline Mayer und Katharina Ritter wollen das Bodenproblem vor Augen führen und aufzeigen, wie individuelle und ökonomische Interessen diese endliche Ressource schonungslos auffressen.
Sie haben dafür eine große Bandbreite an Mitteln versammelt: Bodenschnitte, die unterschiedliche Sedimentschichten und den Einfluss des Menschen darauf erläutern; Fotostorys, welche die betreffenden Interessenskonflikte darstellen und beweisen wollen, dass das Allgemeinwohl derzeit meist den Kürzeren zieht; eine Animation, die von Flächenverbrauch und Bodenspekulation erzählt; eine „Instrumentenwand“, die rechtliche Mittel zur Flächenplanung vorstellt; Vergleiche mit europäischen Nachbarn, die zur Verbesserung im eigenen Land anregen sollen und vieles mehr. Auch sechzehn Methoden bzw. Projekte, die dem Schutz des Bodens dienen, werden präsentiert, darunter Entsiegelung und Renaturierung, der Erhalt der Bodenqualität in der Landwirtschaft, Alternativen zum Privateigentum und die Abschöpfung von Widmungsgewinnen.
Die Botschaft der Ausstellung ist klar: Etwas muss sich ändern. Derzeit schwindet der naturbelassene Raum frappierend schnell und noch unversiegelte Flächen werden anderweitig malträtiert. Die Ursachen sind politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Natur – daran sollte gearbeitet werden, damit in Zukunft der Boden für alle Menschen reicht.
Ein die Ausstellung begleitender umfangreicher Katalog erweitert das bereits breite publizistische Angebot zum Thema Boden. Der reich bebilderte Band Boden für Alle erscheint im Verlag Park Books und enthält Essays von Saskia Sassen, Gerhard Senft, Vandana Shiva, Robert Temel und Gerlind Weber. Herausgegeben wird er von den beiden Kuratorinnen in Zusammenarbeit mit Angelika Fitz, der Leiterin des Architekturzentrums Wien.
Eröffnung: Mittwoch, 9. Dezember, 10–19 Uhr
Ausstellung: 9. Dezember 2020 bis 3. Mai 2021
Ort: Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Zum Thema:
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STPH | 09.12.2020 10:37 Uhr...
Dieser wirklich sinnvolle Beitrag führt zu der Frage, ob die Menschheit die für die Welterernährung wertvollen Ackerflächen in Mitteleuropa zersiedeln soll, oder nicht besser eher karge Landschaften wie etwa in Afrika für Zusammenballungen nutzt? abgesehen von den solaren Möglichkeiten dort.
Migration besser umgekehrt?