Wie kann eine psychiatrische Praxis heute aussehen? Beim Umbau einer kleinen Arztpraxis in ihrer Heimatstadt Thun im Kanton Bern setzten Lanzrein+Partner Architekten auf Fehler und Unfertiges statt steriler Atmosphäre. Denn perfekt verarbeitete Materialen und Oberflächen entsprachen nicht dem, was sich die Architekt*innen für Menschen wünschten, die sich in psychiatrische Behandlung begeben. Menschen sollen auch in unvollkommen eingerichtete Räume eintreten dürfen – „in einen Raum, bei dem Fehler und Unfertiges genauso Platz haben wie bei uns selbst“, schreiben die Architekt*innen. Nun steht die neue, in das dritte Obergeschoss eines Bürokomplexes aus den 1970er-Jahren eingebaute, psychiatrische und psychologische Praxisgemeinschaft den Patient*innen für Behandlungen offen.
Insgesamt besteht die Praxis aus fünf Behandlungsräumen, die durch einen zentralen Raum erschlossen werden. Dieser wiederum ist in Eingangsbereich, Pause- und Warteraum sowie Sekretariat unterteilt. Im Zentrum steht der Servicekern – wie ein großes Möbelstück. In der zentralen Raumzone findet die Idee des Unfertigen und Fehlerhaften ihren Ausdruck. Ein simpler (neuer) Boden und die auf den Rohbau rückgebaute Decke schaffen eine Atmosphäre des Unperfekten und machen Spuren der Vergangenheit sichtbar. Baustellennotizen, Flickstellen sowie die Leitungen für Wasser, Heizung, Strom und Klimaanlage – von den Architekt*innen als Nervensystem des Hauses bezeichnet – wurden so belassen wie sie sind. Unterschiedliche Materialien wie Gips, Holz, Blech und Glas schaffen im Innenraum eine räumliche Schichtung.
Die hellen Behandlungsräume mit ihren großen Fenstern und Balkonen wurden durch vertikale Lamellen fein gegliedert. Das signalisiert eine Stimmungsänderung: Die Räume sind „persönlicher, wohnlicher“ und erzeugen eine ruhige und angenehme Atmosphäre. Die bewusst differenziert gestalteten Bereiche der Praxis werden den Menschen, die sich hier eine Zeit lang aufhalten, hoffentlich ein passendes Raumgefühl vermitteln. (mg)
Fotos: SQWER AG
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K. Frank | 02.05.2019 11:20 Uhr*Fremdschämen*
Immer wieder erstaunlich was manchen Kollegen an Architektenlatein einfällt um ihre Gestaltung zu verkaufen, zu rechtfertigen oder zu begründen.
Aber hier krampfhaft einen Bezug von menschlicher Psyche zu dem aktuell in Mode befindlichen Industrial Look herzustellen und etwas von "Fehler und Unfertiges" zu fabulieren ist ja schon ein ganz dicker und lächerlicher Hund.
Da kann man sich nur fremdschämen und leugnen Architekt zu sein.