Weder als Museum noch Bibliothek oder Kulturzentrum, sondern als ein großes Lager definieren die Architekten von baukuh (Mailand) die Typologie ihres Neubaus, der Casa della Memoria im Mailänder Geschäftsviertel Porta Nuova. Fünf geschichtswissenschaftliche Institutionen der Stadt haben sich zusammengeschlossen, um den Bau dieses Archivgebäudes verwirklichen zu können.
In seiner kompakten Form erinnert der rechteckige Kubus mit den Maßen 20 mal 35 Metern und einer Höhe von 17,5 Metern an mittelalterliche Kornhäuser. Wie kleine Festungen innerhalb des Stadtkerns verteidigten deren dicke Mauern die Nahrung der Stadtbewohner vor feindlichen Angriffen. Hinter den 45 Zentimeter dicken Außenwänden des Mailänder Neubaus hingegen sollen Erinnerungen vor dem Vergessen bewahrt werden.
2011 hatte das Büro baukuh den Wettbewerb für das 2.500 Quadratmeter umfassende, 3,6 Millionen Euro teure Gebäude gewonnen. In seiner Massivität und Einfachheit bildet es einen Kontrast zu den wie gerendert ausschauenden bewaldeten Hochhaustürmen von Stefano Boeri in direkter Nachbarschaft.
So simpel wie die Form dieses Erinnerungslagers, so einfach sind Konstruktion und Material. Ein Stahlbetonraster aus Balken und Säulen mit Spannen von zehn Metern dient als Grundgerüst. Ebenso sind Treppenhaus und Erdgeschossboden in Beton ausgefühlt. Trennwände innerhalb des Gebäudes bestehen aus raumhohen Glaswänden.
Wichtigster Bestandteil eines Hauses, das dem Erinnern gewidmet ist, ist ohne Frage sein Archiv: Es erstreckt sich auf fünf Etagen an den kurzen Gebäudeseiten, hinzukommen ein Ausstellungsbereich sowie Büroflächen. Die verkehrstechnische Erschließung des Erinnerungsspeichers erfolgt über eine leuchtend gelbe Spiraltreppe, die als skulpturales Element den Hallenraum dominiert, der sich auf etwa einem Drittel der Gebäudegrundfläche durch alle Geschosse zieht.
Durch eine Hand voll großer Fassadenöffnungen gelangt Tageslicht vor allem in Büroräume und die Eingangshalle hinein. Die geringe Anzahl der Fenster erzeuge „ein Streiflicht im Halbdunkel des Gebäudes“ und so eine ruhige, fast ehrfürchtige Atmosphäre, erklären die Architekten dazu.
Die Fassadengestaltung aus Ziegelwerk trägt die Funktion des Gebäudes nach außen. Die Betonträgerkonstruktion wird zum Rahmen von insgesamt 19 Bildern – ein ikonografisches Programm, ausgewählt vom wissenschaftlichen Beirat der Institution–, darunter anonyme Porträts von Mailänder Bürgern sowie historische Szenen aus der jüngeren Stadtgeschichte, in denen etwa Deportierungen zu Konzentrationslagern oder aber die Befreiung von den Nazis dargestellt werden. Alle Motive basieren auf Aufnahmen aus dem Fotoarchiv der Casa della Memoria. (lr)
Fotos: Stefano Graziani/Julio Boem
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