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05.10.2023

Avantgarden in Beton

Archivgebäude in Dresden von Nieto Sobejano Arquitectos


Dresden ist bald um ein kulturelles Highlight reicher. Anfang September wurde das von Nieto Sobejano Arquitectos (Madrid/Berlin) umgebaute Blockhaus am Elbufer den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) übergeben. Am 5. Mai nächsten Jahres werden die SKD hier das Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona eröffnen.

Das Archiv der Avantgarden gilt als eine der weltweit wichtigsten Sammlungen zu den künstlerischen Erneuerungsbewegungen im 20. Jahrhundert. Zusammengetragen wurde es vom deutsch-italienischen Kunstsammler, Mäzen und Verleger Egidio Marzona, der es 2016 dem Freistaat Sachsen schenkte. Es umfasst 1,5 Millionen Objekte. Neben Kunst, Designobjekten, Möbeln, Zeichnungen, Plakaten und Architekturplänen sammelte Marzona auch Briefe, Manuskripte, Fotografien, Broschüren und Kataloge, Einladungskarten, Künstlerschallplatten und Filme.

Im 1732 fertiggestellten, später mehrfach umgebauten und im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Blockhaus wird die Sammlung ab nächstem Jahr einen repräsentativen Standort direkt gegenüber der Altstadt erhalten. Nieto Sobejanos Entwurf setzt auf einen gewaltigen, viergeschossigen Kubus aus Sichtbeton, der im entkernten Bestandsbau „hängt“ und im ersten Obergeschoss von einer Galerie umfangen wird. Neben zwei einfachen Erschließungskernen über rechteckigem Grundriss gibt es eine offen im Raum stehende Wendeltreppe.

Im geschlossenen Kubus liegen die eigentlichen Sammlungsräume. Auf den rahmenden Flächen ist Platz für Forschung, Veranstaltungen und Ausstellungen. Dem Archiv der Avantgarden stehen nun circa 2.000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Insgesamt investierte das Land Sachsen in den Umbau des Hauses rund 25 Millionen Euro. Das Projekt geht auf einen Realisierungswettbewerb zurück, den Nieto Sobejano 2018 gegen 34 konkurrierende Büros gewinnen konnten. Schulz und Schulz Architekten (Leipzig) landeten damals auf dem zweiten, Wandel Lorch Architekten (Saarbrücken) auf dem dritten Platz.

In der ausführlichen Debatte unserer Leser*innen zur Wettbewerbsentscheidung kam schnell eine grundsätzliche Frage zum Konzept auf, die nun auch das fertiggestellte Projekt provoziert: Gibt sich der Umbau zu „sakral“? Erfüllt er die Anforderung der Wettbewerbsauslobung, das Archiv der Avantgarden zu einer „lebendigen Institution“ und zu einem „transparenten und offenen Denk-Labor“ zu machen? Auf jeden Fall setzt er das eigentliche Archivgut programmatisch in Szene und stellt es in das Zentrum des Projekts – gut geschützt hinter schwerem Sichtbeton. Und geht es in einem Archiv nicht primär um historische Originale, um die Materialität des Überlieferten – und dessen physischen Schutz? (gh)

Fotos: Roland Halbe


Zum Thema:

Marzona engagiert sich auch für eine kritische und neue Bespielung der von Paul Schultze-Naumburg gegründeten Saalecker Werkstätten in Naumburg an der Saale. Hierfür gründete er die Marzona Stiftung Neue Saalecker Werkstätten und ermöglichte 2018 mit einer Spende den Kauf der Anlage. Sie ist nun Sitz der Design Akademie dieDAS und soll nach einem Masterplan von Dorte Mandrup Architects (Kopenhagen) umgebaut werden.


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