Bei dieser Besetzung überrascht eigentlich kaum, dass der Architekturpreis Berlin in diesem Jahr an ein Projekt aus der Kunstwelt ging: Der Jury-Vorsitzende Chris Dercon wählte gemeinsam mit drei internationalen Architektinnen, einem Potsdamer Galeristen und einem Architekturfotografen das St. Agnes Kunst- und Kulturzentrum / König Galerie in Berlin-Kreuzberg zum Sieger. Neben dem Hauptpreis wurden letzten Freitag im Palais am Funkturm zwei Auszeichnungen, zwei Sonderpreise sowie ein Publikumspreis vergeben – 111 eingereichte Projekte standen zur Auswahl. Alle drei Jahre zeichnet der gemeinnützige Verein Architekturpreis Berlin e.V. Architekten und ihre Bauherren aus.
Der Galerist Johann König hatte St. Agnes 2012 von der katholischen Kirche gepachtet und ermöglichte so das von der Jury als „neues Begegnungszentrum“ gelobte Projekt. Mit Brandlhuber+ Emde, Burlon und Riegler Riewe vergab er den Auftrag an ihm bekannte Architekten – Arno Brandlhuber hatte bereits mit dem eigenen Büro- und Galeriegebäude in der Brunnenstraße beim Architekturpreis Berlin 2013 eine Auszeichnung erhalten. Auch sonst gehören für ihn Kunst und Architektur zusammen: Die Antivilla in Potsdam ist ein künstlerisches wie architektonisches Statement.
Bemerkenswert ist, dass die Jury den Preis sowohl an das Team des Umbauprojektes als auch an den ursprünglichen nachkriegsmodernen Architekten Werner Düttmann vergab. Arno Brandlhuber erklärte in der Bauwelt, Werner Düttmann habe mit der 1967 fertig gestellten St. Agnes-Kirche einen Raum geschaffen, dem „diese Eigenschaft, diese Fähigkeit zum Ausstellungsraum eingelagert ist.“ Das Potential sei „mit einem einzigen Schritt aufzudecken“ gewesen, nämlich durch einen „Betontisch“ – eine eingezogene Ebene auf Stützen.
So sehr das einfache architektonische Konzept und die somit gelungene Nachnutzung der Kirche überzeugt, fragt man sich doch inwieweit eine Kunstgalerie als „nachbarschaftliches Begegnungszentrum“ in Anknüpfung an die kirchliche Nutzung zu sehen ist, wie die OMA-Architektin Ellen van Loon im Jury-Bericht schreibt – zumal die Kindertagesstätte offenbar schon vor dem Umbau bestand. Ein anderes von der Jury ausgezeichnetes Projekt ist im Hinblick darauf vielleicht interessanter: Die Mittelpunktbibliothek in Treptow von Chestnutt_Niess Architekten. Eine ebenfalls denkmalgeschützte Feuerwache wurde hier für das Bezirksamt umgebaut und um einen 2.800 Quadratmeter großen, dreigeschossigen Neubau erweitert.
Auch in diesem Jahr wurde wieder ein Entwurf in eigener Sache prämiert: Der Neubau von David Chipperfield Architects für das eigene Büro in der Joachimstraße erhielt als „kreative Neuinterpretation der typischen Berliner Blockrandbebauung“ eine Auszeichnung. Den Publikumspreis holten im Online-Voting Martin Schmitt Architekten mit ihrer Mensa der École Voltaire in Berlin-Tiergarten.
Der Sonderpreis für „Parks und Plätze“ ging an Levin Monsigny Landschaftsarchitekten für das Umfeld Fernsehturm – zwischen Alexanderplatz und Marienkirche. Die „behutsame Erneuerung eines Freiraums der sozialistischen Moderne“ setze ein „bescheidenes und zugleich hochpolitisches Zeichen“, schreibt Vanessa Miriam Carlow von COBE im Jury-Bericht. Der Sonderpreis für „Neues urbanes Wohnen“ wurde an Praeger Richter Architekten für das Baugruppenprojekt Ausbauhaus Neukölln vergeben, das „bezahlbaren Wohnraum“ für den „individuellen Innenausbau“ anbietet und so „ein Statement gegen schlecht gestalteten Wohnungsbau, ob von öffentlicher Hand gesponsert oder von profitorientierten Projektentwicklern entwickelt“ setzt. (dd)
Alle Preisträger im Überblick:
Architekturpreis Berlin:
- St. Agnes – Kunst- und Kulturzentrum / KÖNIG Galerie
Architekt: Brandlhuber+ Emde, Burlon / Riegler Riewe
Bauherr: Johann & Lena König
Auszeichnungen:
- Mittelpunktbibliothek Treptow
Architekt: Chestnutt_Niess Architekten
Bauherr: Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin
- Joachimstraße
Architekt: David Chipperfield Architects Berlin
Bauherr: Grundstücksgesellschaft Joachimstraße 11 GmbH & Co. KG, vertreten durch Eva Schad und Harald Müller
Sonderpreis „Neues Urbanes Wohnen“:
- Ausbauhaus Neukölln
Architekt: Praeger Richter Architekten
Bauherr: Baugruppe Ausbauhaus Neukölln
Sonderpreis „Parks und Plätze“:
- Umfeld Fernsehturm
Architekt: Levin Monsigny Landschaftsarchitekten
Bauherr: Bezirksamt Mitte von Berlin
Publikumspreis:
- Kantine École Voltaire
Architekt: Martin Schmitt Architektur
Alle 111 zum Architekturpreis Berlin eingereichten Arbeiten werden vom 20. Juni bis 17. Juli 2016 im Verlagsgebäude des Tagesspiegel (Askanischer Platz 3, 10963 Berlin) der Öffentlichkeit gezeigt. Der Eintritt ist frei.
Zum Thema:
www.architekturpreis-berlin.de
Objektbericht über St. Agnes – Kunst- und Kulturzentrum im Baunetz Wissen Beton
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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JH@LND | 08.06.2016 16:46 Uhr"Tisch"
Ich kenne Brandlhubers Umbau aus eigener Anschauung und muss zugeben: Dieser Umbau ist völlig überbewertet.
Die Idee, einen Betontisch in den hohen Raum zu stellen, um diesen in seiner Grundstruktur unangetastet zu lassen, klingt erstmal gut. Was man sieht, stellt sich aber völlig anders dar: Der "Tisch" lässt nur einen minimalen Spalt zur Kirchenwand frei und ist daher als solcher nicht wahrnehmbar. Zudem ist schade, dass er selbst über dem ehemaligen Altarraum nicht zurückweicht, um einen hohen Luftraum zu schaffen. So wirkt das Ganze einfach wie eine lieblos eingezogene Zwischendecke; die Höhe des Raums ist nirgendwo zu spüren, vom ehemals großartigen Raumeindruck hat nichts überlebt.
Muss man dafür einen Preis geben? Ich wüsste nicht warum.