Das DOK.fest München zählt zu den größten europäischen Dokumentarfilmfestivals. Die aktuelle Ausgabe präsentiert ab kommendem Mittwoch, 1. Mai 2024 über hundert internationale Dokumentarfilme an zwanzig Spielorten in der Münchener Innenstadt sowie vom 6. bis 20. Mai online. Auf dem Programm stehen auch Filme mit Architekturbezug.
„E.1027 – Eileen Gray and the House by the Sea“
Im Internationalen Hauptwettbewerb läuft die Schweizer Produktion „E.1027 – Eileen Gray and the House by the Sea“ der Filmemacher*innen Beatrice Minger und Christoph Schaub. Im Mittelpunkt steht die ikonische Villa, die die irische Designerin Eileen Gray 1926–29 für sich und ihren damaligen Lebensgefährten, den Herausgeber der Zeitschrift L'Architecture Vivante Jean Badovici im Dorf Roquebrune-Cap-Martin an der französischen Riviera schuf.
Mit ihrer Auffassung eines „intuitiven“ Wohnens und des Hauses als schützende Hülle, bezog Gray damals eine eigenständige Position gegen den Funktionalismus jener Jahre – insbesondere gegen den Begriff der Wohnmaschine Le Corbusiers. Dass dieser nach ihrem Auszug 1938 eine der Innenwände mit einem großformatigen Frauenfiguren-Fresco übermalte und später oberhalb des Grundstücks auch sein Cabanon bauen ließ, erlebte Gray als Akt der Gewalt.
In den 1990er Jahren löste die spanische Architekturtheoretikerin Beatriz Colomina mit ihrem Text Battlelines: E.1027 eine Kontroverse zu dieser bezeichnenden Episode der Architekturgeschichte aus. Dieser „Form von dreistem männlichen Vandalismus“ spüren auch Minger und Schaub in nachgestellten Szenen zwischen den drei Akteur*innen nach, die auf Originaltexten – Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Zeitschriftenartikeln – basieren. Große Teile des Films wurden am Originalschauplatz gedreht. Jahrzehntelang war das Haus dem Verfall preisgegeben, bevor es saniert wurde und seit 2021 öffentlich zugänglich ist. Zum Thema sind in den vergangenen Jahren auch eine Gebäudemonographie und eine Graphic Novel erschienen.
Regie: Beatrice Minger, Christoph Schaub
Schweiz 2024
88 Minuten
OmeU
Screenings: Donnerstag, 2. Mai, 21 Uhr im Filmmuseum; Samstag, 4. Mai, 16 Uhr im Rio 2; Sonntag, 5. Mai, 11 Uhr in der Pinakothek der Moderne; Donnerstag, 9. Mai, 18 Uhr im City 2
„Archiv der Zukunft“
In der Wettbewerbssektion DOK.deutsch läuft die österreichische Produktion „Archiv der Zukunft“. Joerg Burger porträtiert in seinem Film eine Institution: das Naturhistorische Museum Wien, das mit rund 30 Millionen Sammlungsobjekten zu den bedeutendsten Evolutionsmuseen weltweit zählt. Dargestellt wird die umfangreiche Grundlagenforschung zu Biodiversität und Erdgeschichte auf Basis der schier unerschöpflichen Sammlungsbestände.
Architektonisch widergespiegelt findet sich das Verhältnis von Mensch und Natur auch in der Architektur des 1889 an prominenter Stelle gegenüber der kaiserlichen Hofburg an der Wiener Ringstraße eröffneten Gebäudes. Der Film zeigt jedoch nicht nur die repräsentativen Ausstellungsräume des von Gottfried Semper und Karl Freiherr von Hasenauer entworfenen, historistischen Prachtbaus. Stattdessen bietet der Film Einblicke in die Arbeitsbereiche abseits der Schausäle und führt durch Archive, Bibliotheken, Karteizimmer und Naturalienkabinette, Labore, Präparationsräume, Fotokammern, Lagergewölbe, Innenhöfe und bis auf das Dach hinauf –wie durch einen lebendigen Organismus.
Regie: Joerg Burger
Österreich 2023
92 Minuten
OmeU
Screenings: Samstag, 4. Mai, 16 Uhr im Filmmuseum; Sonntag, 5. Mai, 18 Uhr im City 3; Montag, 6. Mai, 9.30 Uhr im Einstein 28; Samstag, 11. Mai, 21.30 Uhr im Neuen Maxim
„Tales of a River“
Im Rahmen der Hommage an Petra Lataster-Czisch und Peter Lataster zeigt das Festival den 1994 entstandenen Film „Tales of a River“ des niederländischen Regie-Duos. Die Drehbuchautorin und Regisseurin Lataster-Czisch dokumentiert darin ihre Geburtsstadt Dessau in der Nachwendezeit. Sie zeigt die Auenlandschaften der Mulde, leerstehende Fabrikgebäude, Plattenbauwohnungen, Schrebergärten, Menschen und ihre Erfahrungen zwischen Verlust und Neuerfindung. Diese Bilder werden durchwebt mit der durch das Bauhaus geprägten Geschichte der Stadt, dem Schulgebäude von Walter Gropius und Adolf Meyer, der Siedlung Törten, den Kriegsruinen und den alten Windkanälen der ehemaligen Junkers-Flugzeugwerke. Ergänzt werden diese Ansichten durch historische Filmdokumenten der NS- und der DDR-Zeit.
Regie: Petra Lataster-Czisch, Peter Lataster
Niederlande 1994
85 Minuten
OF deutsch/OmeU
Screenings: Sonntag, 5. Mai, 18.30 Uhr im Filmmuseum; Donnerstag, 9. Mai, 11 Uhr im HFF-Kino 2 (OmeU)
Auswahl und Text: Ulrike Alber-Vorbeck
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Der Vorverkauf läuft seit dem 22. April. Das vollständige Programm gibt es auf docfest-muenchen.de