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17.01.2024
Buchtipp: Bauen am nationalen Haus
Architektur als Identitätspolitik
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Paul JK | 18.01.2024 17:32 UhrReko oder nicht
Na klar, jeder Fall ist unterschiedlich. Ich finde aber, es gibt rote Linien, die für alle gelten. Zum Beispiel wird es dann absurd, wenn für eine angeblich so geschichtsbewusste Rekonstruktion echter historischer Bestand abgerissen wird. Das Paradebeispiel dafür ist natürlich der Palast der Republik, dessen attraktiven Nachnutzungsmöglichkeiten uns der "Volkspalast" damals gründlich vor Augen geführt hatte. Er ist trotzdem abgerissen worden für den leblosen Schloss-Zombie, der jetzt dort hockt. Das, finde ich, geht gar nicht und das unterscheidet eben das Schloss-Projekt in Berlin von vielen anderen Rekonstruktionen wie die Frauenkirche in Dresden oder die Paulskirche in Frankfurt, gegen die überhaupt nichts einzuwenden ist.
Kompliziert wird das dann so richtig beim Fall der Meisterhäuser. Ich glaube, dafür muss ich dann doch OSwalts Buch mal lesen, wie er sich da rausargumentiert...
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... | 18.01.2024 12:56 Uhr@arcseyler
- ob rekonstruktionen abzulehnen oder zu befürtworten sind, lässt sich m.e. - auch dahingehend liefert oswalts buch wertvolle einsichten - nicht kategorisch entscheiden. es "kommt" erstens, wie es so schön heißt "drauf an" und ist zweitens immer gegenstand gesellschaftlicher aushandlungsprozesse, ob man das nun gut findet oder nicht.
- ob das monströse stadtschloss in berlin ein zeugnis für nachhaltigkeit ist, wage ich zu bezweifeln. das ist schon arg um die ecke gedacht, finde ich. auf hier ist das von fall zu fall wahrscheinlich unterschiedlich zu beurteilen.
- ob deutschland nicht so sehr mit geschichtlichen bauten gesegnet ist, hängt wohl auch von der frage ab, wie weit oder eng jeweils der definitionskorridor ist. es gibt natürlich auch ein paar gute gründe dafür, warum so manches gebäude in der brd (ex-brd, ex-ddr., ex-3. reich) fehlt - die führen uns ins 20. jahrhundert zurück und damit auch zur erhitzten debatte darum, was nun geschichtspolitisch jeweils mit rekonstruktionsforderungen bezweckt wird.
- u.a. die arch+ ausgaben aus den 60er und 70er jahren illustrieren ganz gut, dass sich "die 68er" mit ihrer kritik am neubau v.a. gegen die spekulativen kahlschlagsanierungen in den innenstädten und die triste monotonie der vorstädte (efh-siedlungen und großwohnsiedlungen gleichermaßen, siehe mitscherlich) gewendet haben. dabei haben sie die qualitäten des altbaus sozusagen neu entdeckt und so mancher ist dann später ein konservativer bewahrer und stadt-nostalgiker geworden (siehe hoffmann-axthelm)
- vermutlich wohnen viele menschen gerne in der bamberger altstadt, nicht nur die intellektuellen. vermutlich deswegen, weil zentralität und damit der zugang zu einer vielzahl an konsum-, kultureller und sozialer infrastruktur einfach immer noch viel wert ist. vermutlich gibt es auch den ein oder anderen intellektuellen, der im grünen wohnt und nur zu theaterbesuchen in die bamberger altstadt fährt...
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arcseyler | 18.01.2024 10:05 Uhr.........
Besser weniger Häuserkampf und mehr um das Bauen und die architektonische Qualität.
Insofern bleibt nur die Frage übrig, ob Rekonstruktion abzulehnen ist. Das in einem Land, das mit geschichtlichen Bauten nicht mehr gesegnet ist. Auch ist Rekonstruktion aus nachhaltigen Gesichtspunkten interessant, wegen der Bauweise und der sehr verschieden nutzbaren Grundrisse.
Ebenso interessant ist, warum gerade die 68er sich dem Neubau entzogen haben und das nicht nur aus ökonomischen Gründen. Ggf. wollten sie sich unbewusst dem Zugriff der Moderne entziehen. Das wäre mal eine Arch+ wert. Das ist eine Frage, die sich auf vergangene Architektur und heutige Gesellschaft bezieht. Waren die 68er vielleicht schon die Postmodernen ohne es zu wissen?
Warum wollen alle Intellektuellen in der Bamberger Altstadt wohnen, sind so gnadenlos romantisch?
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M. Schneider | 18.01.2024 07:00 UhrWiderspruch
Lieber Herr Heidenreich,
da muss ich Ihnen widersprechen. Es ist eben genau nicht so, wie Sie schreiben, dass Herr Oswalt alle originalgetreuen Rekonstruktionen diffamiert. Stattdessen geht er sehr genau in die Analyse, z.B. mit der Frankfurter Paulskirche, ihrem Wideraufbau durch R Schwarz (kennen Sie?) und die 1980er-Jahre-Diskussion über den Rückbau genau dieses modern interpretierenden Wiederaufbaus aus den Nachkriegsjahren. Da kommt man schon ins Grübeln. Oder jedenfalls ich. Und auch die Hintergrundgeschichte zum Potsdamer Glockenspiel kannte ich so noch nicht. Insofern war die Lektüre für mich bereichernd, auch wenn ich nicht alle inhaltlichen Punkte so sehe wie Oswalt.
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... | 17.01.2024 19:02 Uhrverdächtig unverdächtig
nichts an diesem buchtitel erscheint mir "schreierisch". denn dass fragen der identität in rekonstruktions-debatten zentral sind, und dass dabei um fragen nationaler identität geht, das haben ja auch deren entschiedenste verfechter nicht nur nicht geleugnet, sondern immer wieder deutlich hervorgehoben (ein blick in die protokolle der abgeordnetenhaus- und bundestagssitzungen in berlin oder der stadtratssitzungen in frankfurt am main zeigt das und sei Hans-Jacob Heidenreich deshalb nahegelegt).
auch das inhaltsverzeichnis des buches lässt durchaus vermuten, dass eine differenzierte diskussion gesucht wird, weil ja eine differenzierte auswahl an fallbeispielen getroffen wurde. es sind beispielsweise auch die meisterhäuser in dessau vertreten, oder die paulskirche in frankfurt, bislang v.a. wahrzeichen eines sich eher aufgeklärt-republikanisch und nicht national-konservativ verstehenden bildungsbürgerlichen milieus.
kein zweifel besteht daran, dass Hans-Jacob Heidenreich über das Buch urteilt als habe er es gelesen, ohne es gelesen zu haben. keine verwunderung löst es bei mir aus, dass ihm die zahlreichern rechtsradikalen, rassisten, antisemiten und autoritären rechten, die zu den ermöglichern solch "differenzierter maßnahmen" wie garnisonskirche mit militaristischem glockenspiel, öffentlich geförderter luxuswohungsbau im gewand 'teutsche altstadt' und monumentales schlossattrappenmuseum für koloniale raubschätze zählen, offenbar nicht der rede wert sind.
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Hans- Jacob Heidenreich | 17.01.2024 17:16 UhrGrober Kritikerkeil trifft auf differenzierte Maßnahmen
Eine "erfreuliche Differenziertheit" kann dem Buch beim besten Willen nicht attestiert werden. Originalgetreue Rekonstruktion werden schon mit dem schreierischen Buchtitel pauschal als politisch verdächtig diffamiert, während nur stark verändernde Wiederaufbauten wie das Dessauer Musterhaus (das ich persönlich als unästhetisch und vergebe Chance empfinde) als gangbare Wege dargestellt werden.
Damit bleibt das Buch leider auch ein Beleg für eine vergebene Chance.
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Der Unabhängige | 17.01.2024 16:11 UhrModerne und ihre Revisionen
Allmählich scheint ja die Zeit gekommen, dass endlich die 'schreckliche' Revision der Moderne aus den 80er-Jahren revidiert werden darf!! Weg mit dem Missfallen der Moderne! Revision der Revision der Moderne ergibt aber nicht etwa die Moderne, sondern nur was vorher auch schon war: Gesinnung, ordentlich, parteilich, korrekt, im Plattenbau marsch marsch.
Nota Bene: Die Wiederentdeckung der gründerzeitlichen Wohnbebauung, vulgo des Wilhelminismus, war eine Entdeckung der 68er, nicht etwa des Immobilienkapitals! Das hat gegen die "Hausbesetzer" Stunck gemacht, und wie! Mit der Moderne verdient sich's halt besser und fein! Ach herrje, Denken und Gesinnung!
Montage der Kuppellaterne auf dem Humboldt-Forum/Berliner Schloss im Mai 2020
Kontrastreiches Duo: der wuchtige, wiederaufgebaute Kirchturm der Garnisonkirche neben dem „Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum“ in Potsdam, 2023
Zeitschriften-Cover zur Einweihung des rekonstruierten Glockenspiels der Potsdamer Garnisonkirche in der Bundeswehrkaserne in Iserlohn, August 1987
Neue Altstadt auf dem Römerberg in Frankfurt am Main, 2018
Bildergalerie ansehen: 9 Bilder
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Dr. Dietrich W. Schmidt | 04.02.2024 15:22 UhrKultur-Erinnerung
Was ist uns wichtiger: Die ästhetisch-kreative Qualität eines Baukunstwerks oder die historische "Wahrheit" seiner Beschädigung? Was motiviert uns mehr - Gewinn oder Verlust? Historiker und besonders Denkmalpfleger meinen, die "historische Spur" (v.a. der aufregenden Veränderung oder Zerstörung, nicht der langweiligen Bewahrung) sei das wichtigste. Dies besonders im Zusammenhang mit der gerechtfertigten Vernichtung der deutschen Diktatur von 1933-45. Mit dieser einhergegangen war die rücksichtslose Zerstörung auch von Kulturgütern, die mit dem 12-jährigen Verbrechensregime gar nichts zu tun hatten. Darf man diese nicht reparieren? Ist die umfassende, negative Mahnung an die fürchterlichen Konsequenzen einer fürchterlichen Gewaltherrschaft überall wichtiger als einige positive Erinnerungen an herausragende Kulturleistungen anderer Epochen? - Ob die äußerliche Stadtschloss-Kopie in Berlin, der rekonstruierte Turm der Potsdamer Garnisonskirche oder der neu-alte Hühnermarkt in Frankfurt tatsächlich "herausragende" (oder nur gerne in Erinnerung gerufene) Kulturzeugen sind, bleibt dabei sekundär. Auch Warschau hat neben seinem Königsschloss seinen Altstädter Markt nach der NS-Zerstörung als Erinnerungszeichen an historische Identität nur äußerlich schnell wieder aufgebaut mit neuen Wohnungsgrundrissen und völlig ohne die von der Archäologie so gerne geforderte "materielle Identität". Ist denn allein das materielle Substrat von historischer Bedeutung? Oder lohnt nicht auch die kreative Form, die Gestaltung des Raums durch den Künstler? (Wie bei der Reparatur des Dessauer Meisterhaus-Ensembles durch die "unscharfe Erinnerung" an das Haus Gropius.)