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17.12.2020

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Buchtipp: Augenschmaus mit Anspruch

Architektur - gezeichnet. Vom Mittelalter bis heute


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Machen wir uns nichts vor. Dieser letzte Buchtipp des Jahres, sieben Tage vor Heiligabend, ist ein gehobener Last-Minute-Shopping-Tipp. Das entsprechende Buch hat natürlich einige Kriterien zu erfüllen. Schön anzusehen und reich bebildert muss es ganz unbedingt sein. Aber vielleicht doch mehr als ein bloßer Bildband, der in einer Viertelstunde durchgeblättert ist. Und auf keinen Fall sollte es zu spezialistisch zugehen. Das Thema muss allgemein anschlussfähig sein. Und Freude bereiten.

So gesehen ist es ein Glücksfall, dass vor einigen Monaten die lange angekündigte Publikation Architektur – gezeichnet. Vom Mittelalter bis heute von Klaus Jan Philipp erschienen ist. Denn sie erfüllt alle oben definierten Kriterien. Der Autor ist Leiter des Instituts für Architekturgeschichte an der Universität Stuttgart und gibt doch gleich im Vorwort ganz unakademisch zu, dass es ihm wichtig war, Zeichnungen zu diskutieren und zeigen, „deren Betrachten einfach Freude bereitet“.

Es ist fast ein bisschen altmodisch und zeugt von einem gewissen wissenschaftlichem Mut, eine solche, im besten Sinne kunsthistorisch-didaktische Überblicksdarstellung zu wagen, die bei einem 4.000 Jahre alten, geritzten Grundriss anfängt und nur 250 Seiten später bei einem Inkjet von Li Han aus dem Jahr 2017 endet. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Buch die – übrigens exzellent gedruckten – Zeichnungen mit dem ihnen gebührenden Platz präsentiert. Das heißt: Man erfährt hier einiges, aber wird keineswegs von Textmengen erschlagen.

Philipp gliedert das Buch entlang von Darstellungsmodi und stellt diese in ihrem historischen Wandel dar, fängt also meist im Mittelalter an und arbeitet sich jeweils bis zur Gegenwart vor. Ein gewisser Fokus auf Spätmittelalter und frühe Neuzeit zieht sich dabei durch das Buch. Das erste große Kapitel ist Grundriss, Schnitt, Aufriss, deren Kombination und den nichtperspektivischen Projektionen Isometrie und Axonometrie gewidmet. Das zweite Kapitel behandelt verschiedene Formen der Perspektive. Das Buch ist flott zu lesen, denn Philipp schreibt verständlich und eingängig. Seine Publikation ist ein echter Schnelldurchgang durch die Architekturgeschichte, gespickt mit pointierten Beobachtungen und ohne Scheu, weite argumentative Bögen über die Jahrhunderte hinweg zu schlagen.

Letztlich geht es Philipp um die große, fast schon überzeitliche Frage, die Architekt*innen bis heute antreibt: Welche ästhetischen Möglichkeiten stecken in der Architekturzeichnung? Und auf welche Weisen kann sie architektonisches Wissen und entwerferische Visionen bildlich vermitteln? Wer in weihnachtlicher Stimmung durch dieses Buch blättert und sich an den fantastischen historischen Darstellungen erfreut, sollte jedoch weder nostalgisch noch wehmütig werden. Die kreativsten Köpfe der kommenden Generation arbeiten bereits an neuen Darstellungsmethoden.

Text: Gregor Harbusch

Architektur – gezeichnet. Vom Mittelalter bis heute

Klaus Jan Philipp
258 Seiten
Birkhäuser, Basel 2020
ISBN 978-3-03821-563-9
79,95 Euro


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

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Kim | 22.12.2020 13:38 Uhr

@mehmet

Schon wieder ein Kommentar, den ich nicht verstehe (vielleicht liegt das an mir...). Robert wundert sich über die schlechte Qualität VIELER digitaler Darstellungen, Sie heben die gute Qualität EINIGER solcher Darstellungen hervor. Sie hätten z.B. viel besser mit guten Beispielen geantwortet. Stattdessen bemühen Sie reflexhaft die Beschwerde über "Wir in Deutschland". Sie illustrieren weder das eine noch begründen das andere. Ich kenne niemanden, der zwischen Zeichnung und Rendering unterscheidet, sofern der Zweck des Produkts klar ist, die Ebene der Vermittlung stimmt und eine klare Kommunikation aufgemacht wird. Und ihr Beispiel Skywalk: Ist er deswegen bekannt, weil er sich durch eine besondere Methode der Herstellung auszeichnet oder ist es die Idee dahinter, die im Kopf bleibt?

2

mehmet | 22.12.2020 09:58 Uhr

renderbrei?

ich finde es eher eigenartig, dass man im Jahr 2020 immer noch zwischen Zeichnung und Rendering unterscheidet. es gibt einige absolut ikonische Renderings, ohne die manches Projekt nie realisiert worden wäre.

Im Zusammenhang mit der BER-Eröffnung denke ich auch immer wieder an dieses Bild mit dem "Skywalk", das in letzter Zeit auch wieder kursiert. Natürlich wurde er nie so gebaut, aber jeder kennt ihn.

Solche Bilder haben sich sicher nicht von selbst gemacht und auch hinter einer guten digitalen Arbeit saß einmal jemand, der wusste, was er macht.

Das wird aber sehr selten honoriert, weil die Meinung vorherrscht, dass das Digitale die Maschine macht. Es gibt die irrige Meinung, dass digitale Darstellungen weniger kreativ sind. Das Gegenteil ist der Fall, und in anderen Ländern wird das anders gesehen, in Deutschland sind wir etwas in der Geschichte stecken geblieben.


1

R. Zimmermann wundert sich darüber | 17.12.2020 17:02 Uhr

dass früher scheinbar alles besser war

Alleine die paar Seiten sind schon eine Freude. Und es macht gleichzeitig traurig wo wir uns in dieser Hinsicht heute befinden. Seelenlos gerenderter Einheitsbrei. Nur an den Hochschulen kann man noch ab und an Architekturzeichnungen sehen, die diese Bezeichnung verdient haben.

Ich würde jetzt sehr gerne vom Gegenteil überzeugt werden.

 
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