Am Mittwoch, 4. August 2021 startet in Wien die neunte Ausgabe des Architektur.Film.Sommer. Unter freiem Himmel zeigt das AzW im August in Kooperation mit der europäischen Architekturplattform wonderland und dem MuseumsQuartier Wien an vier Abenden ein internationales Lang- und Kurzfilmprogramm. Zum Thema „Erde ohne Boden – worauf bauen wir morgen?“ setzen sich die Beiträge mit Bodenverbrauch und den Folgen des demografischen Wandels auseinander. In ländlichen wie urbanen Räumen wird dabei beleuchtet, was es bedeutet, wenn das Fundament für die Zukunft fehlt – und wie sich Menschen dagegen starkmachen.
Rettet das DorfDa ist die Schulleiterin, die nur noch zehn Kinder in der Dorfschule hat, die Ärztin, die täglich hunderte Kilometer zu Hausbesuchen fährt, die Kauffrau, die keinen Nachfolger für ihren Laden findet. „Wenn einmal zugesperrt ist, ist zu“, sagt Gudrun Oberkofler, die in St. Margarethen im Lungau einen der letzten Lebensmittelläden der Region betreibt. So wie dieser Ort stehen immer mehr Dörfer vor der Frage: Wie weiter, wenn die Menschen wegziehen, Geschäfte schließen, Gebäude verfallen?
Welche Perspektiven es geben könnte, erzählt der Film von
Teresa Distelberger, der Menschen in Österreich und Italien begleitet. Die Wienerin porträtiert unter anderem einen Jungunternehmer, der bewusst auf dem Land produziert, einen Bürgermeister, der mit Bauprojekten das Leben zurück in die Dorfmitte holen will oder eine Unternehmerin und Aktivistin, die nicht nur Arbeitsplätze aus der Stadt mitbringt, sondern auch eine ganze Reihe Ideen. Statt dabei den altbekannten Gegensatz Land versus Stadt aufzumachen, zeigt Distelberger die Abhängigkeiten, die beide Sphären bedingen und verbinden
. Denn für die Zukunft braucht es beide.
Rettet das Dorf
Teresa Distelberger
AT 2020
76 Min.
OV
Screening: Mittwoch, 11. August 2021, 20.30 Uhr im Programm „
Rurale Urbanitäten“
www.rettetdasdorf.atKiruna – A Brand New World„Kiruna is dead“, behauptet ein Grafitti, auf das der Blick der Kamera in den Ruinen eines Wohnviertels der nördlichsten Stadt Schwedens fällt. Doch so ganz stimmt das nicht. Kiruna soll weiterleben, eben nur nicht am gewohnten Ort: Die gesamte Stadt wird etappenweise um wenige Kilometer in Richtung Osten versetzt. 23.000 Menschen müssen umsiedeln, damit die für ganz Schweden relevante Magnetit-Eisenerzmine unter der alten Stadt weiter betrieben werden kann. Regisseurin
Greta Stocklassa besitzt die Größe, diese Geschichte eher im kleinen zu erzählen. Fast beiläufig, über Umstellungen und Änderungen an einem im alten Rathaus ausgestellten Stadtmodell verdeutlicht sie das Ausmaß des gigantischen Projektes, dessen vorläufiges Ende für das Jahr 2100 avisiert ist.
Ihr dokumentarischer Film folgt drei Protagonist*innen, die sich jeweils auf ihre eigene Weise ähnliche Fragen nach Heimat, Tradition, Entwurzelung, Zugehörigkeit, Identität und Wert stellen: als moderne, junge Sámi, abstammend von den unterdrückten Ureinwohner*innen der Region Kirunas; als aus dem Yemen geflüchteter junger Mann, der auf permanentes Bleiberecht hofft; und als bereits umgesiedelter Familienvater, dessen Tochter sich weigert, ihn in der auf dem Reißbrett entstandenen neuen Stadt zu besuchen. Eine Klammer bilden Aussagen von in einer Art Selbsthilfegruppe organisierten Stadtbewohner*innen. Das Spektrum reicht von schmerzvoller Nostalgie und Entfremdungsgefühlen bis hin zu Begeisterung für einen radikalen Neuanfang. Ohne einordnendes Voice-Over, Untertitel oder Namenseinblendungen beweist der Film trotz seiner hochgradigen Spezifik absolute Allgemeingültigkeit.
Kiruna – A Brand New World
Greta Stocklassa
CZE 2019
87 Minuten
OmeU
Screening: Dienstag, 17. August, 20.30 Uhr im Programm „Artifizielle Geologien“
Das gesamte Programm des Architektur.Film.Sommers 2021 ist auf www.azw.at zu finden, der Eintritt ist frei.
-------
Auswahl und Texte: Katrin Groth und Kathrin Schömer
Zum Thema:
Mehr zum neuen Kiruna gibt es in der Baunetzwoche #562. Und wie junge Architekt*innen sich mit ihrer Praxis gegen den Strukturwandel auf dem Land stellen, berichten sie in der Baunetzwoche #581.
Auf Karte zeigen:
Google Maps