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10.02.2015
Constructocracy
Apartments von IND in Istanbul
Als „urban plunder“, zu Deutsch „urbane Plünderei“, bezeichnen Kritiker den schon lang anhaltenden Bauboom am Bosporus. Denn in Istanbul wird rigoros gebaut, Denkmalschutz und Umwelt spielen kaum eine Rolle. Nicht nur am Bosporus ist die Baubranche wichtigster wirtschaftlicher Antriebsmotor. Erdogans Regierung wird auch gerne mal als „Constructocracy“ bezeichnet.
Ein Wunschbild für viele in dieser bauwütigen Stadt ist ein urbanes und internationales Wohnen im Apartmentneubau. Dafür braucht es die passende Architektur, die nun das Rotterdamer Büro IND Inter.National.Design mit einem zehnstöckigen Apartmenthaus im asiatischen Stadtteil Göztepe präsentiert. Der Name des Büros ist Programm: Bei diesem Bau mit Gitterfassade aus Holz und Glas weiß man nicht, ob er für Rotterdam, Los Angeles oder Mexico City entworfen wurde. Hier wohnt der mittelständische Großstadtbewohner, zu dessen Standard die amerikanische Wohnküche im Privatraum und der Pool im gemeinschaftlichen Garten gehören.
INDs Fassade spiegelt die Konstruktion des Baus wider: Auf die strikte Stahlbetonstruktur wurden in unregelmäßigen Abständen helle Holzpaneele appliziert. In der Fernwirkung schmiegen sich dann Fenster und Paneele zu einem Rechteckmuster zusammen. Das Gittermotiv der Fassade wurde auch auf den umliegenden Garten übertragen, auf dem kleine Wege und der Swimmingpool an rechtwinkligen Achsen angelegt wurden.
Trotz seiner slicken Architektur sticht der Neubau von IND aus der Monotonie dieser Siedlung in Göztepe heraus. Klassische niedrige Punkthochhäuser der türkischen Fünfziger, Standardbauten aus Stahlbeton, wie man sie überall in den türkischen Städten finden kann, umgeben ihn. Ein ursprüngliches Apartmenthaus mit sechs Etagen hat das Rotterdamer Büro nun gegen einen zehnstöckigen Wohnbau ersetzt. Die Architekten interpretieren ihre zehn Stockwerke als Möglichkeit, die starke Nachfrage nach Wohnungen in dieser dichten Siedlung Istanbuls zu beruhigen. Ein Kompromiss aus Gewinnzielen des Investors und Auflagen der Behörden, könnte man auch sagen. In diesem Fall sollte wohl eine Genehmigung für noch mehr Stockwerke nicht erteilt werden. (sj)
Fotos: Fernando Alda
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