Die Zahlen bleiben erschütternd: Sechs Millionen Menschen jüdischer Herkunft ermordeten die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten während des zweiten Weltkriegs. In 22 Ländern fand diese förmliche Vernichtung von Menschen statt. Aus dieser Zahl entwickelten Adjaye Associates (London) die abstrakte Symbolik für seinen Entwurf eines Holocaust Memorials in London nahe des Parlamentsgebäudes in Westminster: 23 riesige Bronzetafeln sollen in den Grund der Victoria Tower Gardens gesenkt werden und dabei 22 enge Couloirs hinab in eine unterirdische Gedenkstätte bilden. Mit diesem dunklen wie sensiblen Vorschlag, so wurde gestern bekannt, gewann das Büro Adjayes den zweiphasigen Wettbewerb für ein Holocaust-Denkmal in London.
Mit dem Holocaust Memorial, das Adjaye mit Ron Arad Architects (London) und den Landschaftsarchitekten Gustafson Porter + Bowman (London) realisieren wird, will Großbritannien einen Ort des Gedenkens an alle Opfer von Ungerechtigkeit und Vorurteil schaffen. Er soll nicht nur ein Raum der Einkehr werden, sondern durch ein Ausstellungs- und Bildungsprogramm das öffentliche Bewusstsein für das dunkelste Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte stärken. 50 Millionen Pfund stellt die britische Regierung für das Projekt zur Verfügung.
Wegen des hohen politischen Auftrags der Gedenkstätte saßen in der 13-köpfigen Jury des Wettbewerbs hauptsächlich Personen des öffentlichen Lebens, wie der Londoner Bürgermeister Hon Sadiq Khan, der Journalist Lord Daniel Finkelstein oder die Präsidentin des National September 11 Memorial and Museums Alice Greenwald.
Von ursprünglich 92 Teilnehmern waren zehn Finalisten für die Endrunde des Wettbewerbs ausgewählt worden, darunter Studio Libeskind oder Zaha Hadid Architects. Ihre Beiträge zeigen unterschiedlichste Ansätze des Gedenkens. Von bedrückenden Gängen (Foster+Partners) bis hin zu geisterhaften Kopien des bereits im Park stehenden Buxton Memorials (Caruso St. John). Besonders würdigte die Jury die Beiträge von heneghan peng architects mit Sven Anderson und Diamond Schmitt Architects.
Obwohl die schmalen Treppengänge beklemmend sind und die unterirdische Gedenkhalle monumental ist, zeigt Adjayes Siegerentwurf vor allem städtebauliche Raffinesse. Vom wichtigsten, nördlichen Zugang des Parks aus, sollen lediglich die Spitzen der Bronzetafeln sichtbar sein, die aus der aufgeschütteten Parkfläche herausstoßen. Erst wenn die Besucher an das südliche Ende des Parks gelangen, werden sie die ganze Wucht der Gedenkstätte erleben. Dazu David Adjaye: „Die Komplexität des Holocaust ist mit der Zeit vergessen worden. Wir möchten die verschiedenen Schichten der Geschichte aufdecken und sie nicht begraben lassen.“ (sj)
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