Es ist eine gute Woche für die Protagonisten der Umbaukultur. Nicht nur, dass der Pritzker-Preis für Lacaton & Vassal das Thema auf die ganz große Bühne holt. Im Berliner DAZ versammelt der BDA im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Sorge um den Bestand“ starke Argumente für den Substanzerhalt. Zugleich verdeutlicht die Debatte um Erhalt oder Neubau des Opernhauses in Düsseldorf die Notwendigkeit, auch in Zukunft achtsam zu sein angesichts der noch immer grassierenden Abrisslust.
Zwei Argumente sind es vor allem, die – jenseits von ästhetischen, funktionalen oder denkmalschützerischen Belangen – für und gegen Erhalt oder Neubau angeführt werden. Da wären einerseits der Ressourcenverbrauch und die graue Energie eines Bestandsgebäudes, die eine Sanierung in ökologischer Hinsicht meist sinnvoller erscheinen lassen. Und andererseits die oft niedrigeren Kosten für einen Ersatzbau oder Neubau, der zudem nicht selten mehr Nutzwert und den neuesten technischen Standards zu genügen verspricht – jedenfalls, wenn man den Machbarkeitsstudien glauben darf.
Was bei dem notwendigen Abwägungsprozess allerdings oft zu kurz kommt, ist ein dritter Aspekt: Dass eine produktive Auseinandersetzung mit dem Bestehenden meist auch einen gestalterischen ebenso wie atmosphärischen Mehrwert mit sich bringt. Neu ist eben nicht unbedingt besser, das hat nicht nur der Abrisswahn der Moderne, sondern auch die Leere des retrospektiven Bauens der Gegenwart deutlich gemacht. Insofern gilt es, eine Wertschätzung von Historizität als Qualität an sich auf alle Bauten der jüngeren Jahrzehnte auszudehnen. Eine Qualität nämlich, die sich für noch so viel Geld nicht kaufen lässt.
Gültig ist dieses Argument übrigens nicht nur für denkmalreife Meisterwerke, sondern gerade auch für viele Alltagsbauten, wie die Beispiele in unserem Themenpaket zeigen. Wir haben 18 Projekte versammelt, die klar machen, dass ein sorgsamer Umgang mit dem Bestand weder eine Frage des Maßstabs, noch der Bauaufgabe oder des Budgets sein muss. (sb)
Titelbild: Bürotransformation von Häberli Heinzer Steiger, Foto von Michael Haug
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Hinrich Schoppe | 18.03.2021 18:25 UhrAnpassung
Vielen Dank für diese Zusammenfassung, die nach meiner Wahrnehmung alle Aspekte kurz und knapp erwischt hat.
Wenn wir begreifen, dass das Arbeiten mit dem, was vorhanden ist mehr Entfaltung und mehr Sinn bedeutet als die vermeintlich völlige Freiheit der "tabula Rasa", dann ist das Spiel zumindest halb gewonnen.
Und zwar in allen Belangen, ökonomischen und ökologischen, funktionalen und gestalterischen. Wenn wir nur über den Schatten unserer Egos springen und dem anvertrauen, was unsere Altvorderen uns hinterlassen haben.
Das Rad muss nicht neu erfunden werden; wir brauchen es nur ein wenig weiter zu drehen. Danke.