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19.10.2018
Buchtipp: Bildband
A History of Thresholds von Sensual City Studio
Dieser Bildband ist zu anspruchsvoll, um als Coffeetable-Book bewertet zu werden. Und er ist zu leichtfüßig, um als Theoriepublikation zu gelten. Vielmehr unterbreiten die Herausgeber von der französischen Recherchegruppe Sensual City Studio hier ein gewandtes Text-Bild-Essay zu einem regelrechten Abstraktum in der Architektur: der Schwelle. In kleinen Textpassagen, Zitaten und einer assoziativen Assemblage aus Fotografien, Zeichnungen und Collagen durchwandern die Herausgeber eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart über jene Räume, die man eigentlich gar nicht sieht: Eine Schwelle bedeute die Erfahrung von Veränderung, so die Verfasser. An ihr fände häufig auch eine Veränderung an einem selbst statt.
Mit einem starken hypothetischen Überbau fasst Sensual City Studio gut 3000 Jahre über jenes vage, sensuelle Raumphänomen zusammen. Doch gerade diese Waghalsigkeit macht den Band spannend. Auf drei Etappen „Leben”, „Tod” und „Wiedergeburt” reduzieren die Verfasser die Wandlungsgeschichte der Schwelle. Kurz dargestellt lautet sie so: Die Schwelle bezeichne den Übergang eines Status von Orten, an ihr werde die kulturelle Hierarchie von Räumen erfahrbar. In der Antike sei das öffentliche Leben von höchster Wichtigkeit gewesen. Doch mit dem Christentum habe sich ein Rückzug zum Privaten vollzogen. Mit Erstarken des demokratischen Nationalstaats sei schließlich ab dem 19. Jahrhundert das Eigentum und sein Schutz besonders in den Vordergrund gerückt, wodurch der Privatraum in unserer Gesellschaft an höchster Stelle in der Raumhierarchie gelangt sei. Dieser Umstand habe zum Tod der Schwelle geführt. Die Architektur beschränke sich auf die Abgrenzung und selbst so feine Gebäude wie Philip Johnsons Glashouse seien lediglich Umgrenzungen von Eigentum ohne Übergang. Doch durch spontane und individuelle Beschlagnahme von Räumen – Blumentöpfe, Tische auf der Straße oder selbst eine digitale Aneignung wie die Reiszwecke von Google-Maps – würde die Schwelle wiedergeboren.
Und so beendet Sensual City Studio den Kurztrip durch die Kulturgeschichte der Schwelle in „The History of Thresholds” mit einer Forderung: „Wir möchten die körperliche Erfahrung von Raum wieder zurückholen. Wir müssen die verlorengegangene Schwelle neu erfinden.” Da fragt man sich nun doch, wer denn eigentlich hinter der Recherchegruppe steckt, dass solch ein Aufruf an alle Planer gewagt wird: Es sind die französischen Architektinnen Pauline Marchetti, Estefania Mompean und Jacques Ferrier, sowie der Philosoph Philippe Simay. Ihr Buch ließ sich auch als Werbemaßnahme für ihre eigene Arbeit verstehen. Doch darüber kann man hinwegsehen, ist „A History of Thresholds” doch in seiner Zusammenfügung von Text und Bild, den gewählten Zitaten von etwa Hannah Ahrendt oder Douglas Coupland auch schlichtweg schönes, geistiges Futter für zwischendurch.
Text: Sophie Jung
A History of Thresholds. Life, Death & Rebirth Sensual City Studio
Sensual City Studio Jovis Verlag, Berlin 2018
Schweizer Broschur mit Klappen
15 x 21 cm
184 Seiten, 129 farb. Abb.
Englisch
ISBN 978-3-86859-520-8
32 Euro
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