Los Angeles hat eine neue Brücke. Das von Michael Maltzan Architecture und anderen entworfene Projekt um den 6th Street Viaduct ist weit mehr als eine kreuzungsfreie Verbindung wichtiger Verkehrsachsen. Für die Stadtentwicklung wirkt es als Spiegel und Wegweiser zugleich.
Von Friederike Meyer
Der 6th Street Viaduct gilt als größtes Brückenprojekt in der Geschichte von Los Angeles. Die Brücke wurde im Auftrag der City of Los Angeles für 588 Millionen Dollar nach Plänen vom ortsansässigen Büro Michael Maltzan Architecture, dem Ingenieur Michael Jones, den Landschaftsarchitekten Hargreaves Jones Associates und mit der städtebaulichen Beratung von AC Martin realisiert. Gemeinsam haben die Planer*innen eine Hommage an die 1932 erbaute Vorgängerkonstruktion entworfen, deren zwei Bogenpaare in unzähligen Filmen, Musikvideos und Werbespots verewigt sind.
Mit nicht weniger als zehn Bogenpaaren schwingt sich der rund einen Kilometer lange neue Viadukt nun über den LA River, die Autobahn 101 und 17 Bahngleise, die von fünf verschiedenen Eisenbahnunternehmen betrieben werden. Auf diesem Weg verbindet er zwei Stadtviertel, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Im Westen der inzwischen fast durchgentrifizierte Downtown Arts District, wo angesagte Galerien und Coworking Spaces die einst günstigen Künstlerateliers in den Warehouses übernommen haben. Auf der östlichen Seite der Brücke, in Boyle Heights, fragen sich die angestammten Bewohner*innen derweil, wie lange sie sich ihre Miete noch leisten werden können. Allein diese Konstellation wird der Brücke in den kommenden Jahren Aufmerksamkeit bescheren.
Für den Architekten Michael Maltzan, der in Los Angeles bemerkenswerte Bauten für einst obdachlose Menschen geplant hat, ist die neue Brücke schon jetzt ein Symbol. Weil sie, so sagt er, die Probleme der Stadt sichtbar mache und in gewisser Weise zum Forum für künftige Debatten über Gentrifizierung, über Zugang zum öffentlichen Raum, die Nutzung der Straßen und das Fahrrad als wichtiges Transportmittel werden könne.
Dass es an einem solchen Forum offensichtlich fehlt, zeigten die Tage kurz nachdem die neue Brücke im Sommer 2022 eröffnet worden war. Die Freude über die breiten, durch ein Betonband gesichterten Fußwege, Fahrradfahrbahnen und die vielen Bögen war so groß, dass einige die Brücke mit einem Spielplatz verwechselt hatten. Sich gegenseitig fotografierend balancierten die Leute über die Bögen, manche hatten Skateboards und Mountainbikes mitgebracht. Ein Sicherheitsrisiko, das nicht nur zur kurzzeitigen Schließung der Brücke, sondern auch zu einer stadtweiten Diskussion führte. Die unerlaubte Aneignung der neuen Struktur offenbarte nämlich auch, dass Los Angeles in dieser Gegend, fast 30 Kilometer vom Strand entfernt, kaum öffentliche Räume hat.
Ein geplanter zwölf Hektar großer öffentlicher Park unterhalb der Brücke soll dieses Vakuum demnächst füllen helfen. Mit einer monumentalen spiralförmigen Fahrradrampe und über mehrere einläufige Treppen ist die Brückenfahrbahn bereits mit der geplanten Parkanlage verbunden. Wenn der Park fertig ist, soll er auch einen Zugang zum Fluss ermöglichen, der seit Jahrzehnten in einem künstlichen Betonbett durch die Stadt fließt und Gegenstand eines geplanten Renaturierungsprogramms ist.
Fotos: Iwan Baan, Gary Leonard
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Anton Schedlbauer | 26.01.2023 14:52 UhrWeniger wäre mehr gewesen
Das ist viel zu viel Brücke! Weniger wäre mehr gewesen.