Wer Architektur in Norwegen anschauen will, das ist mittlerweile bekannt, muss weite Strecken mit dem Auto fahren und hin und wieder anhalten. Denn die besonderen Rastplätze sind mindestens einen Blick wert – und ständig werden weitere gebaut. Das jüngste Projekt befindet sich im Nordwesten Norwegens an der historischen Passroute Strynefjellsvegen, die Osten und Westen des Landes miteinander verbindet. In einer Landschaft, in der rund geschliffene Bergkuppen auf steile Gebirgsketten und türkisblaue Fjorde treffen, wurde 1883 eine Steingewölbebrücke errichtet. Diese wurde mit dem Bau der neuen Passstraße obsolet. Seitdem liegt die alte Jøl Brücke ungenutzt neben einer der engen Kehren der Straße. In einem fast perfekten Halbkreis überspannt sie eine etwa 60 Meter tiefe Schlucht mit tosendem Bach.
Im Auftrag der Staatlichen Norwegischen Straßenverwaltung Statens Vegvesen und des Fachbereichs Landschaftsrouten hat das Büro 3RW arkitekter (Bergen) einen ringförmigen Rastplatz geplant, der die vergessene Jøl Brücke wieder erlebbar macht. Geplanter Baubeginn für das Projekt, das umgerechnet rund 1,55 Millionen Euro kosten soll, ist Oktober 2019. Die Architekten wollen die bestehende Brücke um eine statisch unabhängige Stahlstruktur ergänzen, die das Halbrund zum Kreis vervollständigt. Flossenähnliche Stahlrippen sind über ein kreisrundes Rohr miteinander verbunden. So kommt der Ring fast ohne Stützen aus und scheint über der Schlucht zu schweben. Damit der Höhenunterschied zwischen beiden Seiten der Schlucht überwunden werden kann, sind die Segmente doppelt geneigt.
Die Architektur soll Aussichtspunkt und Schauobjekt zugleich sein. Erschlossen wird sie über eine Parkbucht in der ansteigenden Partie vor der Brücke. Hier, im Bereich in dem sich Ring und Parkbucht überschneiden, befinden sich Sitzbänke, die die Ringform weiterführen. Durch ihr Arrangement werden Ring, Schlucht und die umgebende Landschaft zur Bühne. Wenn der Eingriff als Weiterbauen des Bestands lesbar bleibt, kann die alte Brücke als Hauptakteur gewahrt werden, anstatt in der kreisförmigen Anlage unterzugehen. Bis 2020 soll das Projekt abgeschlossen sein.
Text: Dorothee Hahn
Zum Thema:
Mehr zu den norwegischen Landschaftsrouten in der BAUNETZWOCHE #75 „Fern - Norwegens einzigartiges Landschafts- und Architekturkonzept“ und in der BAUNETZWOCHE #207 „Detour. Norwegens neue Aussichtspunkte“.
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