In den vergangenen Jahren haben sich eine ganze Reihe an Architekturbüros in ihren Entwürfen dem Umgang mit Baumbestand gewidmet. Mit dem Ziel, Pinien, Kiefern, Eichen und viele andere Arten weiter wachsen statt fällen zu lassen, entstanden dabei ganz unterschiedliche Grundrisskonfigurationen. So manch einer Gebäudeform sieht man schon auf den ersten Blick an, welche Bedeutung die für den jeweiligen Standort charakteristische Flora im Entwurfsprozess einnimmt. Die Bauten spiegeln dabei nicht nur die heutzutage gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber schützenswerter Natur wider. Sie eignen sich diese geradezu an.
Schon historische, modernistische Beispiele, wie die auf Stützen stehende Casa de Vidro von Lina Bo Bardi, verdeutlichen die Auseinandersetzung mit den wachsenden Nachbarn. Ebenso das inmitten von Eukalyptusbäumen geplante Case Study House #8 von Ray und Charles Eames. In den 1990er Jahren etwa setzten Lacaton & Vassal in Cap Ferret den Erhalt des Baumbestands auf radikale Weise um. Gleich mehrere Pinien durchdringen das von ihnen 1998 realisierte Wohnhaus, das sich weit über den Waldboden erhebt. Ebenso lag 1997 dem Hanegi Forest von Shigeru Ban die Idee zugrunde, Platz für alle bestehenden Bäume einzuplanen. Das Wohnhaus definieren die so entstandenen Innenhöfe geradezu.
Allein aus den letzten rund drei Jahren bietet unser BauNetz-Archiv eine Fülle an Beispielen baumzentrierter Bauten. Diese zeigen, wie Architektur von der Atmosphäre profitiert, die das Zusammenspiel mit den häufig weitaus älteren und vielleicht auch beständigeren Konstruktionen natürlichen Ursprungs mit sich bringt. Während sich in manchen Entwürfen die Kubaturen sorgfältig von den zu erhaltenden Bäumen distanzieren, werden in anderen Konzepten die Bäume umfasst und bedingen damit die innere Struktur der Baukörper. Dazu gesellen sich klassische Baumhäuser, die vielleicht zu einem künftigen Urlaub in Dänemark oder Norwegen anregen. (sla)
Bild: Peter Grundmann, Wohnhaus in Mellensee, Foto von Peter Grundmann