In „Fußball-Deutschland“ ist mal wieder vom Sommermärchen die Rede. Wir sind gespannt. Ob sich die Europameisterschaft auch für die zehn deutschen Austragungsorte als Märchen erweist, wird man nach dem Turnier bewerten müssen. Denn das Mega-Event ist für Städte nicht nur räumlich eine Herausforderung, es kostet sie auch viel. Selbst wenn für diese Fußballeuropameisterschaft der Herren kein Geld in neue Stadien investiert werden musste.
Das ist Deutschlands großes Glück in Sachen Fußball. Fans dürfen sich hierzulande über einige der besten Stadien überhaupt freuen. Der
Signal Iduna Park in Dortmund etwa vereint beinahe alles, was ein guter Hexenkessel braucht: lange Tradition, steile Ränge direkt am Spielfeld, und mit seinem aufragenden gelben Dachtragwerk eine echt identitätsstiftende Architektur. Interessanterweise war es kein namhafter Architekt, der es 1974 baute, sondern das
Hochbauamt Dortmund.
Natürlich gibt es viele Merkmale, die erstklassige Stadien auszeichnen. Die Form ist bestenfalls geschlossen, das Dach sollte irritierende Schattenspiele vermeiden, der Weg zur Halbzeit-Bratwurst möglichst kurz sein. Architekt*innen können all das erfüllen – und dennoch schreibt der Fußball seine eigenen Gesetze. Alles misst sich an der Stimmung bei den Spielen. Schaut man sich etwa
Old Trafford in Manchester oder
Anfield in Liverpool an – zwei der legendärsten europäischen Stadien – muss man konstatieren, dass Ästhetik hier anders definiert wird. Die beiden Werke des schottischen Stadion-Großbaumeisters
Archibald Leitch zeigen aber auch, dass Fußballarenen mehr als viele andere Typologien gewachsene Gebilde sind. Jahrzehnt für Jahrzehnt werden sie um neue Elemente, Ränge oder Funktionen ergänzt. Derzeit packt beispielsweise
gmp das Madrider
Estadio Santiago Bernabeu in eine
metallische Medienfassade ein.
Nicht immer sind solche baulichen Anpassungen gewünscht. In München
diskutierte man um die Jahrtausendwende lange über einen fußballgerechten Umbau des Olympiastadions von
Günter Behnisch und
Frei Otto. Letztlich schien ein architektonisch und sportlich zufriedenstellender Umbau aber nicht möglich. Stattdessen schufen
Herzog & de Meuron einen
Vorreiter des zeitgenössischen Stadionbaus – in dem übrigens am 14. Juni das Eröffnungsspiel der EM 2024 zwischen Deutschland und Schottland ausgetragen wird.
Wer dafür keine Tickets ergattern konnte, kann sich mit der Publikation
Fußball Wunder Bauten vertrösten. Das (inzwischen leider vergriffene) Buch kombiniert die Begeisterung für Architektur mit all den emotionalen Geschichten aus den Wohnzimmern des Fußballs. Oder Sie werfen einen Blick in unsere Auswahl europäischer Stadien aus dem BauNetz-Archiv.
(mh)
Bild: Stadion in Bordeaux von Herzog & de Meuron. Foto: Francis Vigouroux