Erscheint Paris in einigen Vierteln geradezu konserviert, tut sich seit Haussmann nicht mehr viel an seinen schmucken Boulevards, so verändern sich andere Viertel dramatisch. Den Parc de la Villette etwa hat Bernard Tschumi in den Achtzigern peu à peu in eine postmoderne Landschaft verwandelt. Unweit davon ist nun ein neues Riesenprojekt fertiggestellt worden. 15 namhafte Architekturbüros, darunter
Kengo Kuma & Associates,
Christian de Portzamparc oder
Gigon/Guyer, waren daran beteiligt, ein altes Lagerhaus in einen riesigen Komplex mit 1125 Wohnungen, Büros, Geschäften, einer Mittelschule und einer Bibliothek umzugestalten. Mit einem hohen Anteil an Sozialwohnungen (50%) soll das Riesenprojekt ein breites demografisches Spektrum erfassen.
Die Ursprünge des
Entrepot MacDonald fallen in die Zeit von Nicolas Sarkozys Ideenwettbewerb Le Grand Pari(s) von 2007. Der damalige Präsident verfolgte mit seiner PR-wirksamen Hauptstadtpolitik das Ziel, die als stigmatisiert wahrgenommenen Banlieues mit ihren Großsiedlungen wieder stärker mit dem Zentrum von Paris zu verbinden. Das enorme Lagerhaus (Französisch: entrepot) aus den Siebzigern am Boulevard MacDonald hat dabei eine strategische Lage: Am Rande des 19. Arrondissements bildete das 617 Meter lange Gebäude eine veritable Grenze zwischen der Innenstadt und einem anliegenden Grand Ensemble aus den Sechzigerjahren. Das städtische Unternehmen „Caisse des Dépôts“ kaufte 2006 das noch intakte Lagerhaus auf, nach einem Masterplan von
OMA wurde ab 2007 das Gelände als städtebauliches Scharnier zwischen Sechzigerjahresiedlung und Pariser Zentrum umgestaltet.
Das räumliche Programm, das schließlich unter der Leitung von
Floris Alkemade (ehemals Partner von OMA) und
Xaveer De Geyter umgesetzt wurde, setzt einen ästhetischen Gegenpart zu den klassischen Grand Ensembles. Die repetetive Optik der früheren Großsiedlungsarchitektur sollte durch eine funktionale Diversität und visuelle Variationen abgelöst werden. Das Lagerhaus blieb erhalten, mittig wurde ihm ein Block ausgeschnitten und eine Durchgangspassage angelegt, eine neue Straße mit Tramanbindung flankiert den Komplex. Alkemade und De Geyter teilten den Bestand in verschiedene Blöcke, zwischen denen sie offene Gemeinschaftsflächen und Gärten anlegen ließen, auf dem Dach des ehemaligen Entrepots wohlgemerkt. Den 15 Architekturbüros wurden innerhalb dieser Blöcke eigene Einheiten zugeordnet, die nun als einzelne Wohn- und Geschäftsbauten aus dem Fundament des Lagerhausriegels herauswachsen.
Jedes Büro scheint sich schließlich eines anderen Kniffs bedient zu haben, um das Gebot der Diversität einzuhalten. Entlang der kleinteilig angelegten Südseite des Komplexes wählten
Stéphane Maupin & Partners eine auffällige gelb-silberne Grafik für ihre Fassade oder
Julien de Smedt bedienten sich einer pyramidalen Stapelung ihres Baukörpers. Die Nordseite hingegen ist von Alkemade und De Geyter einheitlicher geplant. Bei gleicher Traufhöhe unterscheiden sich etwa
François Leclercq & Associés oder Gigon/Guyers Beiträge in der Art, Vor- und Rücksprünge zu setzen und vor allem in den Möglichkeiten, die Fassadengestaltung auszuschöpfen. Eine Ausnahme ist Kengo Kumas Mittelschule: An der Spitze des schlanken Bestands bildet sie einen eigenen, monolithischen Baukörper.
Die beteiligten Büros sind:
- ANMA (Paris)
- l’AUC as (Paris)
- Thierry Beaulieu (Rueil-Malmaison)
- Brenac & Gonzalez & Associés (Paris)
- Studio Odile Decq (Paris)
- FAA + XDGA (Brüssel)
- Gigon / Guyer (Zürich)
- Habiter Autrement (Paris, Locarno)
- Raphaëlle Hondelatte & Mathieu Laporte Architectes (Paris)
- Kengo Kuma & Associates (Paris, Tokio)
- François Leclercq & Associés (Paris) mit Marc Mimram architecte (Paris)
- Stéphane Maupin & Partners (Paris)
- Christian de Portzamparc (Paris)
- Julien De Smedt Architects (Kopenhagen, Brüssel, Shanghai)
Zum Thema:
www.entrepotmacdonald.com
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-JK- | 12.02.2016 11:32 UhrJeder darf mal?
Aus den vorangegangen Kommentaren scheint purer Neid und Missgunst zu sprechen. Jeder darf mal, nur man selber nicht?!
Und dass da so mancher wohnen will und wird, dessen dürfen wir uns sicher sein. Von "Antiwerbung" keine Spur.
Ein spannendes Projekt und Konzept. So wahrscheinlich in Deutschland nicht umsetzbar. Was nicht weiter verwunderlich wäre, wenn die angepasste und mutlose Geisteshaltung der drei ersten Kommentatoren auch nur halbwegs repräsentativ sein sollte.
DAS wäre in der Tat ein Trauerspiel und Antiwerbung für einen ganzen Berufsstand.
O, wonder!
How many goodly creatures are there here!
How beauteous architecture is! O brave new world,
That has such buildings in't!
frei nach Shakespeare;-)