Nach vier Jahrzehnten internationalen Architekturschaffens sind die beiden Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron weltberühmt und noch lange nicht fertig. Das Duo, das sich seit Kindertagen kennt und seit langem ein gemeinsames professionelles Leben durchschreitet, feiert in diesem Frühjahr seinen 70. Geburtstag. Oder genauer: die beiden Teile des Duos, Jacques Herzog schon am 19. April und letzten Freitag, am 8. Mai 2020, Pierre de Meuron. Mit 50 laufenden Projekten weltweit ist das Büro überaus beschäftigt und die beiden Gründer weit davon entfernt, sich aus dem kreativen Schaffen zurückzuziehen. Ein perfekter Anlass für eine Zwischenbilanz: Wie blickt die mediale Welt auf die doppelten Jubilare, die mit ihren Bauwerken überall auf der Erde Orte erschufen, die sich dauerhaft im kollektiven Gedächtnis etablieren konnten.
International bekannt wurden die Baseler Architekten unter anderem mit ihrem Riegel aus Beton und Glas für die Sammlung Goetz in München, dem Umbau eines ehemaligen Kraftwerks zur Tate Modern in London, den zwei großartigen Stadionarchitekturen in München und Peking und natürlich der Elbphilharmonie in Hamburg, die trotz einiger konfliktreicher Phasen längst das geliebte Wahrzeichen der Hansestadt ist. Der nächste Coup in Deutschland, das Museum des 20. Jahrhundert, wird nun in Berlin erwartet. Kaum ein Geburtstagsgruß der letzten Wochen findet sich, der nicht diese Klassiker der „Star-Architekten“ erwähnt. Nicht fehlen darf natürlich auch die Verleihung des Pritzker-Preises 2001, mit dem Herzog & de Meuron als erstes Duo ausgezeichnet wurden.
Doch auch andere, fast schon leidenschaftlich-bewegte Töne werden in der Presse angeschlagen. In der Neuen Zürcher Zeitung schreibt der spanische Architekt und Herausgeber mehrerer Büro-Monografien Luis Fernández-Galiano von Werken mit einer „essenziellen Ästhetik und materiellen Klarheit, die einen zu Tränen rühren können“ und dass vielleicht niemand so gut wie sie versteht, eine Architektur mit echter emotionaler Erfahrung zu schaffen. Als „Magier des Materials“ bezeichnet Sabine von Fischer ebenfalls in der NZZ die beiden und resümiert, dass „Generationen von Architekten dem Zauber der schimmernden und rhythmisierten Oberflächen ihrer Bauwerke“ erlegen sind. Vertraute Bilder zu den Worten gibt es reichlich: die gestapelten Wandtafeln aus Holzzementplatten (und natürlich der spätere Lehmbau) für die Ricola AG in Laufen, mit Motiven bedruckte Gläser an der Fassade der Eberswalder Hochschulbibliothek, patinierter Baustahl für das Caixa Forum in Madrid oder verwaschener, an eine Baumrinde erinnernder Beton am Sockel des Helsinki Dreispitz in Basel, in dem die Architekten sich auch ihr privates Archiv einrichteten.
Mit diesem Lager für die eigenen Modelle und Zeichnungen, das teilweise zu Forschungszwecken geöffnet wird, offenbaren die Architekten eine ihnen innenwohnende Leidenschaft – das nüchterne, aber gleichwohl perfektionistische Sammeln, Sortieren und Ordnen des eignen Werks. Ihr letztes Jahr bei Simonett & Baer erschienenes Werkverzeichnis „Herzog & de Meuron 001 – 500“ zählt ebenjene 500 „ersten“ Projekte, die zu diesem Zeitpunkt das Oeuvre darstellten – vorrangig realisierte Gebäude, aber auch Wettbewerbsbeiträge, Bühnenbilder und Designs für Teppiche, Hocker oder sogar die eigene Website. In der Sammleredition zeigt sich hier streng durchnummeriert und mit zwei Bildern pro Seite ein tiefer Griff in die Schatzkiste des Büros bis zu den Anfängen in den 1970er Jahren. Inzwischen ist der Zähler übrigens schon auf 528 weitergerückt.
In der FAZ führt auch Niklas Maak die Leser*innen zurück zu einem Frühwerk des Architektenduos, dem blauen „Haus Oberwil“ bei Basel, und huldigt hier einem „ganzen Zauberwerk von Spielen mit Proportionen und Materialien“, in dem all das, was die Architekten später berühmt machen sollte, bereits im Kern vorhanden war. Auch Luis Fernández-Galiano nennt frühe Gebäude wie das Steinhaus in Ligurien, zwei Wohnhäuser in Basel, die durch die ungewöhnliche Anwendung der Materialien Holz und Stahl auffielen, oder das Stellwerk des Bahnhofs Basel SBB aus den 1990er Jahren als Grundlagen für die späteren Arbeiten.
Herzog, der mit de Meuron noch immer die selben Büroräume aus den Anfangstagen besitzt und selbst in einem frühen Baseler Projekt des Büros wohnt, sagte einmal in einem Interview in der Schweizer Fernsehsendung Sternstunde Philosophie, er fühle sich dort zu Hause, wo er wohne. Eben nicht dort, wo er reise. In dieser simplen Aussage lässt sich vielleicht ein wesentlicher Aspekt dessen finden, für das die Architektur des Baseler Büros seit nunmehr vier Jahrzehnten so geschätzt wird: Neben der Qualität und dem originellen Umgang mit Materialität und Konstruktion geht es um eine maximale Treue zu sich selbst. Die Treue eines Archivs beispielsweise, das fürsorglich alle Gebäude und Arbeiten bewahrt, wo auch immer sie sich auf der Welt befinden, ebenso wie die Treue zweier Menschen, die keinen anderen Maßstab kennen als sich selbst – und die sich so unvergleichbar machen. (kg)
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schlawuki | 12.05.2020 13:03 Uhrwertvoll
die beiden noblen schweizer herren haben mich und wohl die meisten die hier schreiben das ganze berufsleben begleitet und positiv stimuliert.
das erste projekt in münchen, die sammlung götz, war eine pilgerstätte, und die 5 höfe in der münchner innenstadt sind nach wie vor ein wertvoller beitrag zu architektur und stadtplanung.
deshalb auch aus münchen:
glückwunsch!
und danke....