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08.01.2025
Ersatzneubau im wahrsten Sinne
Wettbewerb für die Wasserstadt Limmer in Hannover entschieden
Es ist bedauernswert, dass diese zwei eindrucksvollen Fabrikgebäude im Hannoveraner Stadtteil Limmer bald weichen müssen. Sie gehörten zum ehemaligen Gummiwerk des Unternehmens Continental, das hier bis 1999 vorrangig Autoreifen herstellte. Nun sollen die schon lange leerstehenden Ziegelbauten durch einen Wohn- und Gewerbekomplex ersetzt werden. Im November gewannen Max Dudler (Berlin) und Seeberger Walenta Architekten (Hannover) den entsprechenden Wettbewerb mit einem Ersatzneubau, der seinem Namen zumindest äußerlich gerecht werden will.
Bereits 2002 erwarb die Unternehmensgruppe GP Papenburg das halbinselartige Areal zwischen dem Leineabstiegskanal und dem Stichkanal Hannover-Linden. Seither entwickelt es auf dem einstigen Industriegelände die sogenannte Wasserstadt Limmer. Bis auf vier denkmalgeschützte Bauten wurde das gesamte Areal abgeräumt und bereits zur Hälfte neu bebaut. Zum verbliebenen Bestand zählen neben dem Wasserturm und einem neogotischen Verwaltungsgebäude von 1898 auch die zwei erwähnten Fabrikbauten, die allerdings enorm verfallen sind.
Jahrelang hatten sich Bürger*innen und Bezirk für die Sanierung eingesetzt. Eigentümerin GP Papenburg wiederum klagte gegen den Erhalt, was zunächst vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurde. Da aber beide Gebäude infolge der Gummiproduktion mit krebserregenden Nitrosaminen belastet sind, legten die lokalen Gesundheitsämter ihr Veto gegen die Weiternutzung ein. Daraufhin genehmigte die Stadt Hannover den Abriss. 2024 lobte dann die Projektentwicklungsgesellschaft Wasserstadt Limmer – die GP Papenburg eigens für die Realisierung des Stadtquartiers gegründet hat – ein zweistufiges, kooperatives Verfahren nach RPW 2013 aus.
Sieben Teams nahmen an dem Verfahren teil. Betreut haben es Atitar Architektur und BBU.Onsite (beide Hannover). Die Jury unter Vorsitz von Heiner Farwick vergab Ende 2024 drei Preise. Das Ergebnis im Überblick:
- 1. Preis: Max Dudler (Berlin) und Seeberger Walenta Architekten (Hannover)
- 2. Preis: Mosaik architekt:innen (Hannover)
- 3. Preis: N2M (Hannover) und Kim Nalleweg Architekten (Berlin)
Die Auslober*innen suchten gewissermaßen einen Mittelweg zwischen optischer Nachahmung und optimalem Städtebau für die künftigen Nutzungen. So war gefordert, Baukörper und Fassade des westlich gelegenen Wohnungsneubaus so nah wie möglich am historischen Vorgänger zu orientieren. Dieser entstand 1922 nach Plänen von Franz-Otto Lutz unmittelbar am Kanal. Laut Denkmalpflege zeige das Gebäude „moderne Formen des Industriebaus“, wie sie beispielsweise Peter Behrens entwickelt habe. Hingegen war die Gestaltung des östlichen Büroneubaus weitestgehend freigestellt, da der Bestand hier nicht als Einzeldenkmal gelistet ist.
Max Dudler und Seeberger Walenta haben viele Elemente des Lutz-Baus übernommen. Großes geneigtes Dach mit roter Deckung, turmartiger Kopf- und Mittelbau, stringente, vertikale Gliederung und roter Vollklinker für die Fassaden – alles abgehakt im Siegerentwurf. Auch die verbreiterte Uferpromenade und den zweigeschossigen Durchgang für die geplante Fuß- und Radbrücke lobte die Jury. Der subtile Knick des Bürobaus ermögliche zudem einen „sauberen Anschluss“ an die denkmalgeschützte Verbindungsbrücke des neogotischen Verwaltungsbaus – wenngleich innen keine räumliche Verbindung hergestellt wird.
Während also die äußere Anmutung überzeugte, kritisierte die Jury aber die inneren Werte des Siegerentwurfs – vor allem die Wirtschaftlichkeit und Aufteilung der Grundrisse. Im Gegensatz zum vielfältigen Wohnungsangebot der übrigen Preisträger entwarfen die Architekt*innen einseitig orientierte Einheiten mit unbelichteter Mittelgang-Erschließung.
Insgesamt sollen die beiden Neubauten zwischen 20.000 und 25.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche umfassen. Darunter summieren sich im westlichen Bau etwa 150 Wohneinheiten sowie Gewerbe und ein Restaurant im Erdgeschoss. Im östlichen Bau kommt neben den Büros eine Kita unter. Außerdem war eine Tiefgarage für 80 Stellplätze vorzusehen. Das Budget wird mit circa 1.490 Euro pro Quadratmeter in den Kostengruppen 300/400 veranschlagt (insgesamt 29,7 Millionen Euro brutto).
Das Wettbewerbsareal befindet sich im 2. Bauabschnitt der Wasserstadt Limmer. Für den Masterplan sind Monadnock (Rotterdam), chora blau Landschaftsarchitektur (Hannover) und Planersocietät (Dortmund) verantwortlich. Der Siegerentwurf soll nun als Basis für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan dienen. Noch dieses Jahr ist geplant, den Bestand abzureißen. Nach der Fertigstellung will GP Papenburg die Gebäude voraussichtlich verkaufen. (mh)
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1. Preis: Max Dudler (Berlin) und Seeberger Walenta Architekten (Hannover)
2. Preis: Mosaik architekt:innen (Hannover)
3. Preis: N2M (Hannover) und Kim Nalleweg Architekten (Berlin)
Bestandsbau von 1922 nach Plänen von Franz-Otto Lutz. Foto: Christian A. Schröder (ChristianSchd), CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
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