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15.10.2024
Im Zeichen der Ellipse
Umbau Warburg Institute in London von Haworth Tompkins
Der deutsche Jude Aby Warburg (1866–1929) ist eine Legende in der Kunstgeschichte. Nicht nur untersuchte er in seinem unvollendeten Projekt „Bilderatlas Mnemosyne“ den bewussten und unterbewussten Einfluss der Antike auf die europäische Gegenwart, er stellte auch ab 1901 bis zu seinem Lebensende systematisch eine kulturwissenschaftliche Bibliothek zusammen. Für die etwa 60.000 Bücher ließ er 1926 ein eigenes Gebäude in Hamburg-Eppendorf errichten: Die „Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg“ kann heute als „Warburg-Haus“ besichtigt werden. Den zentralen Raum dort bildet der Vortrags- und Lesesaal unter einer Lichtdecke in Form einer Ellipse, der in Warburgs Theorien eine wichtige Rolle zufällt.
1933 halfen zwei Engländer, in Flucht vor den Nationalsozialisten die gesamte Bibliothek inklusive des Führungspersonals nach London zu verschiffen. 1958 wurde dort erneut ein Bibliotheksbau nach Entwürfen von Charles Holden errichtet, in Bloomsbury am Woburn Square. Bis heute gilt das Warburg Institute als eines der wichtigsten kulturwissenschaftlichen Forschungszentren weltweit, insbesondere für transdisziplinäre Forschungen – denn Warburg war kein Freund vom Denken in Schubladen und organisierte seine Bibliothek lieber nach Begriffen wie Wort, Bild, Tat und Orientierung.
Seit 1944 ist die Warburg-Bibliothek der University of London angegliedert. Diese hatte eine Sanierung und Modernisierung des Gebäudes lange ausgesetzt und 2008 versucht, den Buchbestand einfach in andere Sammlungen einzusortieren – was auf wütende Proteste gestoßen war. 2014 urteilte der High Court, dass das Institut ein dauerhaft unabhängiges Element bleiben müsse, denn so sahen es die Verträge von 1944 vor. Ein Jahr später sagte die Universität Mittel für die Renovierung zu. Aber als 2017 Bill Sherman vom Victoria and Albert Museum neuer Warburg-Direktor wurde, ließ er die Bauarbeiten stoppen und organisierte zusätzliche Gelder – vor allem von der Hamburger Reemtsma-Stiftung –, um einen ambitionierteren Umbau zu beginnen. Den Wettbewerb dafür gewann 2018 das Londoner Architekturbüro Haworth Tompkins.
Mit dem Umbau soll das Institut ein größeres Publikum anlocken und ein öffentlicheres Programm als zuvor anbieten. „Der Auftrag wurde über die dringend notwendige Reparatur hinaus erweitert“, schreiben Haworth Tompkins, „und umfasste nun die räumliche Erweiterung mit einem Vortragstheater, Ausstellungsräumen, verbesserten Seminarräumen sowie neue Lager- und Studierzimmer.“ Dabei blieb der Charakter des Originalgebäudes weitgehend erhalten; Dank der ausgebliebenen Sanierung waren die meisten Original-Details wie holzverkleidete Rundstützen, Holz- und Terrazzofußböden oder gläserne Trennwände noch vorhanden.
Dem Bedarf an zusätzlichen Räumen begegneten die Architekt*innen mit einem Neubau, den sie in den engen Innenhof einsetzen: Zwei Etagen mit insgesamt 330 Quadratmetern bieten Raum für einen Lesesaal im Souterrain und darüber das 140 Zuschauer*innen fassende Vortragstheater unter einer Decke, in der Warburgs Ellipse wieder auftaucht. Dieses Mal jedoch nicht als Lichtdecke, sondern als Figur aus Betonfertigteilen – Haworth Tompkins wollten, dass diese Ellipse ein Zitat ist, keine Kopie. Der kleine Neubau wird an zwei Seiten von doppelgeschossigen Lichthöfen gerahmt, die das Licht durch Glasdecken bis in den Leseraum im Untergeschoss leiten.
Im Altbau wurden die Etagen neu mit Bücherregalen, Gruppen- und Einzelbüros eingerichtet. Nur im Erdgeschoss ist ein etwa 180 Quadratmeter großer Saal als Ausstellungsraum freigestellt worden, den Besucher*innen auch durchlaufen, wenn sie vom Eingang zum Vortragstheater gehen wollen. Neue Verglasung sorgt für ideale Licht- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen. Insgesamt, so Haworth Tompkins, gäbe es nun Archivraum für etwa 20 Jahre weiteres Wachstum des Warburg Institutes. (fh)
Fotos: Hufton+Crow, Fred Howarth
Zum Thema:
Die Eröffnungsausstellung „Memory & Migration – The Warburg Institute 1926–2024“ ist noch bis zum 20. Dezember 2024 zu sehen: www.warburg.sas.ac.uk
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