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02.08.2024
Es braucht ein ganzes Dorf
Wohnheim für Demenzkranke in Oslo von NORD Architects und 3RW arkitekter
Das Bild, es brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen, ließe sich durchaus auch auf die Betreuung in der spätesten Lebensphase übertragen. „Demenzdorf“ nennen NORD Architects (Kopenhagen) und 3RW arkitekter (Bergen) ein nach ihren Plänen realisiertes Projekt in Oslo. Furuset Hageby lautet der offizielle Name des Wohn- und Pflegeheims für demenzkranke Menschen, wobei der erste Teil für das Viertel im Nordosten der norwegischen Hauptstadt steht und der zweite Gartenstadt bedeutet.
Die beiden Büros verfügen nicht nur über viel, sondern auch gemeinsame Erfahrung im Bereich Gesundheitsbauten und Betreuungseinrichtungen für junge bis alte Nutzergruppen. In Oslo realisierten sie mit einer Fläche von 11.500 Quadratmetern ein durchaus großes Projekt – und als nZEB-, Breeam Excellent und FutureBuilt-zertifiziertes Gebäude auch ein durchaus weitsichtiges.
Das Bauen für die alternde Gesellschaft stellt überall eine wachsende Herausforderung dar. Die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen demenzerkrankter Menschen ist dabei eine ganz spezielle Aufgabe. Zu den Begleiterscheinungen der Krankheit gehört etwa, dass sich Betroffene schwer orientieren können und eine hohe sensorische Empfindlichkeit haben. Hinzu kommt manchmal auch ein erhöhter Drang, sich fortzubewegen.
Die Architektur muss ganz anders antworten, als sie es beispielsweise im oftmals sehr funktionalen Krankenhausbau tut. Sie muss Sicherheit vermitteln, ohne den Bewohnenden das Gefühl zu geben, eingesperrt zu sein. Sie muss einer Reizüberflutung entgegenwirken und Ruhe ausstrahlen. Und sie muss Orientierung bieten, ohne es den Demenzkranken allzu leicht zu machen, die sichere Obhut zu verlassen. Ein Grund übrigens, warum auch keine Grundrisse veröffentlicht sind.
All das übersetzte das Planungsteam in ein einladendes Gebäudeensemble mit reichem Programm. So finden sich im Demenzdorf neben den Wohn- und Pflegebereichen auch Erholungsgärten oder Dachterrassen, dazu alltägliche Einrichtungen wie ein Friseursalon, ein Restaurant, eine Arztpraxis, eine Bibliothek, ein Kulturhaus, ein Fitnessstudio oder ein Lebensmittelladen. Dadurch können sich die bis zu 112 Bewohner*innen innerhalb des Areals versorgen, sich in abwechslungsreich gestalteten Innen- und Außenräumen bewegen und dort einander sowie Besuchenden ungezwungen begegnen.
All das trägt das Erscheinungsbild einer traditionellen Dorfgemeinschaft, so die Architekt*innen. Materialien, Oberflächen, Tageslicht und Akustik seien so gewählt, „dass ein Gleichgewicht zwischen Ästhetik, sensorischen Qualitäten, Wegeführung und betrieblicher Versorgung erreicht wird.“ Neben einer demenzfreundlichen Gestaltung galt es auch, für die Arbeits- und Pflegekräfte ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen, wie die Planenden berichten.
Durch den Gebäudekomplex zieht sich eine Dorfstraße, die die öffentlichen Funktionen miteinander verbindet. Die Gebäudeteile sind so angeordnet, dass in den Zwischenräumen drei miteinander verflochtene Innenhöfe entstehen. Die Bauten fügen sich in die Topografie und nutzen diese für unterschiedliche Wegeführungen sowie grüne – oder im Winter wahlweise weiße – Außenräume. Der langgezogene Dachgarten soll dafür sorgen, dass die Demenzpatient*innen immer sicher zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren können. Ergänzt wird dieser durch eine üppige Bepflanzung, Kräutergärten, ein Gewächshaus und einen Loungebereich. (sab)
Fotos: Adam Mørk
Zum Thema:
In unserer Baunetzwoche#623 widmeten wir uns weiteren Architekturen für das Alter(n).
Eine Buchempfehlung zum Thema Bauen für ältere Menschen gibt es außerdem bei Baunetz Wissen
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