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31.07.2024

Ein Haus für Menschen ohne Obdach

Hild und K in München


Seit 2013 verfolgt die Stadt München ein ambitioniertes Programm, mit dem zahlreiche Übernachtungsplätze für obdachlose Menschen entstehen sollen. Behelfsmäßig wurden dafür Räume in der ehemaligen Bayern-Kaserne eingerichtet, die nun jedoch für eine Wohnbebauung abgerissen werden. Es musste also ein Neubau her. Bereits 2022 berichteten wir über die Pläne des damals im Bau befindlichen Übernachtungsschutzes mit medizinischer Einrichtung. Im Mai konnte der Neubau nach Entwürfen von Hild und K Architekten (München) nun eröffnet werden. Die Freianlagen planten Studio Vulkan (München).

Mit 730 Plätzen für Männer, Frauen, Kinder und Familien gehört es zu den größten Obdachlosenzentren Deutschlands. Standort ist der Euro-Industriepark im Norden von München, neben großen Gewerbekisten und weiten Parkplätzen. In den kommenden Jahren soll das Gebiet allerdings zu einem gemischten Wohnviertel mit Raum für „laute Club- und Kulturangebote“ entwickelt werden. Das Obdachlosenzentrum ist damit so etwas wie ein Pionier für das geplante Viertel.

Das Haus kommt auf eine Bruttogrundfläche von 13.000 Quadratmetern. Davon entfallen etwa 10.400 Quadratmeter auf den Bereich „Übernachtungsschutz“, wo 184 Zimmer mit je 16 Quadratmetern angeboten werden. Die allermeisten sind Vier-Bett-Zimmer, die teils zusammengeschaltet werden können, etwa für die Unterbringung größerer Familien oder Gruppen. Dazu kommen sechs Sechs-Bett-Zimmer und zehn Zwei-Bett-Zimmer, zum Beispiel für Rollstuhlfahrer*innen oder Personen mit erhöhtem Schutzbedürfnis. Ein deutlicher Fortschritt, wenn man bedenkt, dass es in den Bayern-Kasernen ausschließlich Zimmer für acht bis zwölf Personen gab.

Aufgrund des knappen Kosten- und Zeitbudgets war eine serielle Bauweise alternativlos, schreiben Hild und K. Immerhin konnte das Haus in nur zweieinhalb Jahren errichtet werden. Man habe jedoch alles getan, um die bei Containerbauten sonst übliche Monotonie zu vermeiden. So ist das Haus nun ein Betonskelettbau aus Fertigteilelementen, was man außen vor allem am Sockel erkennt. Darüber bestehen die Fassaden aus ziegelrot gestrichenen Holzrahmenelementen.

Die auffälligste Komponente ist die sogenannte „Bordüre“, ein umlaufendes Zier-Element unter der Dachkante. Mit dessen Gestaltung beziehen sich Hild und K auf „autochthone Bauweisen“, bei denen oft kunstvoll profilierte Bretter die empfindlicheren Teile vor der Witterung schützen. Mit der „textilen Assoziation der Bordüre“ wiederum wolle man an die eigene Bürotradition anknüpfen, die Gebäudehülle im Sinne Gottfried Sempers als schmückende „Bekleidung“ zu gestalten.

Um eine kastenartige Großform zu vermeiden, fächern die Architekt*innen das Obdachlosenzentrum um einen zentralen Hof mit insgesamt sechs Flügeln auf. Sie strecken sich wie Finger aus und bilden so weitere, kleinere Höfe. Diese Figur leiten Hild und K von Theodor Fischers Ledigenheim ab, einem Rohziegelbau von 1927 im Münchner Westend. Durch diese Struktur ist es möglich, auf potenzielle Konflikte zu reagieren und beispielsweise Ausweichräume zu schaffen. Die Architekt*innen weisen zudem auf die geschützten Außenräume hin, die „in der wenig einladenden Lage des Gebäudes“ eine wichtige Qualität darstellen.

Innen wurden mit Holz, Linoleum, geschliffenem Estrich und Keramikfliesen Materialien ausgesucht, die strapazierfähig und pflegeleicht sind. Die kräftige Farbgebung findet sich auch dort wieder: etwa bei den Holztüren, die in Tannengrün oder Himmelblau anzeigen, ob sie zu einem Zimmer, Bad oder Nebenraum führen. Laut Matthias Haber, Partner bei Hild und K, lässt sich der gesamte Bau dank seines flexiblen Tragwerks für mögliche Nutzungsänderungen umgestalten. (fh)

Fotos:
Michael Heinrich, Florian Holzherr


Zum Thema:

Anlässlich einer vergangenen Ausstellung im Architekturmuseum München widmeten wir auch unsere Baunetzwoche#591 dem Thema.


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

Hild und K


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