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19.06.2024

Von Säulen und Referenzen

Einfamilienhaus in London von 31/44


Wenn Architekt*innen für sich selbst bauen, wird es oft besonders kompliziert: Muss das Haus zur Demonstration der eigenen Überzeugungen werden, ein Paradebeispiel, wie Architektur zu sein hat? Will Burges, einer der beiden Gründer von 31/44 Architects in London, stand vor genau diesen Fragen. Das Wohnhaus, das er für seine vierköpfige Familie auf einem kleinen, trapezförmigen Grundstück in Crystal Palace gebaut hat, sei bitte nicht als „Manifest“ zu verstehen. Es sei vielmehr ein „lebendes Objekt“, dessen Gestaltung kein fester Endzustand sei. Die Familie zog bereits vor zwei Jahren ein, damals habe man das Geschirr noch im Badezimmer gespült und gerade erst mit der Gartengestaltung begonnen, weswegen er das Haus erst kürzlich fotografieren ließ.

Das Haus der Burges ist etwas größer als die Reihen- und Doppelhäuser entlang der Straße. Von denen greift es das geneigte Dach und den kräftigen Schornstein auf. Aber es tanzt doch buchstäblich aus der Reihe, steht näher an der Straße als die Nachbarn, das Satteldach ist betont asymmetrisch und die Backsteinfassaden sind von hellen Betonstürzen durchzogen. „Six Columns House“ nennt Burges sein Haus, was sich einerseits auf die sechs kräftigen Backsteinlisenen in der Fassade bezieht und andererseits eine augenzwinkernde Referenz an den britischen Architekten Berthold Lubetkin ist, der 1934 nicht weit entfernt „Six Pillars House“ entwarf, das alle Insignien der klassischen Moderne trägt, unter anderem ein auf sechs schlanke, weiße Stützen aufgeständertes Obergeschoss.

So ist das ganze Haus von Burges – trotz einer eher unauffälligen Gestaltung – von Referenzen durchzogen. Beim offenen Grundriss im Erdgeschoss, der sich mit mehreren Stufen die sanfte Topographie des Grundstücks aneignet, habe er sich von Peter Aldington‘s Haus „Turn End“ inspirieren lassen. Der sparsame Einsatz von robusten und unverkleideten Materialien bezieht sich auf den Brutalismus der Smithsons, eine freistehende Säule vor einem Wandstück aus dunkelgrünem Marmor erinnert ganz leicht an Mies‘ Barcelona-Pavillon, den Burges und seine Frau auf ihrer ersten langen Auslandsreise besichtigten.



Der Übergang zwischen Haus und den beiden kleinen Gärten spielt wiederum mit Motiven aus den kalifornischen Case Study Houses und Filmen von Derek Jarman. Burges will diese Zitate aber gar nicht so sehr betonen. Es sei ihm um ein stimmiges, vielfältiges Haus gegangen. Das Haus sollte keine architekturtheoretische Collage werden, aber als Architekt sammele man eben „so sein Gepäck“ an, sagte er in einem Interview.

Das 150-Quadratmeter-Haus ist im Wesentlichen ein dreigeschossiger, rechteckiger Bau, der im Erdgeschoss von einem pavillonartigen Anbau nach Südwesten und -osten erweitert wird. Vom Eingang aus geht der Blick in die offenen Wohn-, Koch- und Essbereiche im Pavillon zwischen den zwei Gärten, während zur anderen Seite die Arbeitsräume liegen. Die Schlafräume sind kompakt, die gemeinsamen Räume deutlich größer. Eine Schiebetür zwischen Küche und einem Salon eröffnet Flexibilität in der Nutzung, ebenso die großen Fenster, die das Licht vom Garten bis zur Eingangstür durchlassen. Es ging um eine Vielfalt an Räumen und Verbindungen, deren Nutzungsmöglichkeiten auszuprobieren die Familie gerade erst begonnen hat. (fh)

Fotos: Nick Dearden


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