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22.01.2024
Politischer Vater des Berliner Stadtforums
Zum 80. Geburtstag von Volker Hassemer
Volker Hassemer – der am vorgestrigen Samstag seinen 80. Geburtstag feierte – ist eine Ausnahmegestalt, nicht nur der Berliner, sondern der deutschen Politik. Ein begeisterter Parlamentarier, der trotzdem Nicht-Politiker mit erheblichem Charme zum Mitmachen in der selbigen verpflichtet. Ein Jurist, der die so nur schwer justiziable Kunst und die Gestaltungskulturen als Medium gesellschaftspolitischer Entwicklung betrachtet. Einer, der immer wieder gehandelt wurde für höchste Ämter, aber 1996 aus der Politik ausschied, um die Werbeagentur Partner für Berlin und später die bis heute einflussreiche Stiftung Zukunft Berlin zu gründen. Ein Konservativer, der oft viel zu liberal war für seine Partei, die Berliner CDU – weswegen sie ihn nie für den Posten des Regierenden Bürgermeisters vorschlug. Es ist ein Schicksal, das er mit der ähnlich über das Berliner Mittelmaß ragenden CDU-Politikerin Hanna-Renate Laurien (1928–2010) teilte und ähnlich wie sie nach außen hin locker ertrug. Er weiß um seinen Wert. Und zeigt das auch gerne.
Hassemer, der in Heidelberg zu Beginn der 1970er Jahre promovierte Jurist, wurde vom damaligen Regierenden Bürgermeister Richard von Weizäcker (CDU) 1981 als einer der wenigen profilierten Umweltpolitiker der CDU 1981 zum West-Berliner Stadtentwicklungssenator berufen. Es war die Zeit der Kreuzberger Häuserkämpfe. Während Innensenator Heinrich Lummer (CDU) bürgerkriegsähnliche Szenen provozierte, setzte Hassemer auf Verständigung und Kompromiss, was 1983 mit zur Gründung des „alternativen“ Sanierungsträgers Stattbau führte. Ökologischer Stadtumbau und behutsame Stadtsanierung sollten nun im Zentrum der Stadtentwicklung stehen – statt Kahlschlagsanierung und Massenumsiedlung in Neubauviertel.
Zwar hob Weizäcker Hassemer im gleichen Jahr auf den scheinbar machtlosen Posten des Kultursenators. Doch Hassemers Stern stieg weiter. Die glanzvollen Feiern zum 750. Jubiläum 1987 und als Europäische Kulturhauptstadt 1988 etablierten West-Berlins Ruf, auch Ort einer wagenden Alternativkultur zu sein, in offensiver Konkurrenz zum Rheinland, zu New York, London oder Paris. Man erinnere sich nur an den Rummel um den „Skulpturenboulevard“ – an die bis heute die Autofahrerlobby zur Weißglut treibenden, einbetonierten Cadillacs Wolf Vostells am Rathenauplatz.
Sein größter Coup jedoch gelang nach der Neuberufung zum Stadtentwicklungssenator 1991: Die von der Stadtplanerin Helga Fassbinder im Spätsommer 1990 angeregte Etablierung des sogenannten Stadtforums. Hier trafen bis 1996 Planer*innen, Verwaltungsleute, Ökolog*innen, Mietervertreter*innen, Investor*innen und Politik in einer einzigartigen Atmosphäre zusammen. Sicher, es gab Vorläufer in den Bürgerbeteiligungsrunden Italiens, Skandinaviens, der USA und vor allem der Niederlanden. Aber die Wirkung des Berliner Stadtforums wurde weit über die Stadt hinaus zum Maßstab für das, was Bürgerbeteiligung sein kann: Der gleichberechtigte Austausch von Planenden und Planungsbetroffenen über die Zukunft der gemeinsamen Stadt.
Zur Legende wurden die dicht besetzen Treppenstufen und die Redeschlachten mit Senatsbaudirektor Hans Stimmann, der zur gleichen Zeit in der von der SPD geleiteten Verwaltung für Bau- und Wohnungswesen regierte und straff all die Erfolge der Öko- und Sozialdebatten aus den 1980ern beiseite schob zugunsten des Streits um die richtigen Traufhöhen, Blockkanten und Fassadenmaterialien.
Als Hassemer am 24. Januar 1996 nach der Neubildung des Senats sein Büro räumte, ergriff die Verwaltung umgehend wieder die Macht. Das Stadtforum wurde zur informativen Fachleuterunde degradiert. Was für ein Verlust das ist, merkt man unter anderem daran, dass praktisch alle Debatten um die ökologische, wirtschaftliche und soziale Zukunft der Stadt, die in den frühen 1980er Jahren und den 1990ern stattfanden, heute wieder geführt werden müssen.
Und man darf durchaus fragen, ob es den Ausverkauf kommunalen Eigentums, die Demontage des sozialen Wohnungsbaus oder den Abschied vom ökologischen Stadtumbau gegeben hätte, wenn das Stadtforum weiter existiert hätte. Kurz: Es braucht ein neues Stadtforum, in dem nicht die Fachleute mit den Fachleuten, sondern die Bürger*innen insgesamt um die Zukunft der Stadt streiten. Der Eröffnungsredner stünde wohl fest: Volker Hassemer.
Text: Nikolaus Bernau
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