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21.11.2023
Anthroposophischer Schulanbau
Behnisch Architekten in Stuttgart
Vor über 100 Jahren wurde auf der Stuttgarter Uhlandshöhe die erste Waldorfschule weltweit eröffnet. Stefan Behnisch, Sohn des „Baumeisters der Demokratie“ Günter Behnisch und Gründer von Behnisch Architekten (Stuttgart) bot sich hier die besondere Gelegenheit, neue Gebäude für die Schule zu entwerfen, die er selbst während seiner Kindheit und Jugend besuchte.
Die Pädagogik der Waldorfschule geht zurück auf ein Konzept, das der Unternehmer und Fabrikbesitzer Emil Molt zusammen mit Rudolf Steiner für die Kinder seiner Arbeiter*innen der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik entwickelte. Als Vertreter der Anthroposophie verfolgte Steiner einen ganzheitlichen Ansatz und setzte sich „mit vielen Themen wie Kunst, Erziehung und Lehre, Wissenschaft und der Art unseres Zusammenlebens“ auseinander, wie Stefan Behnisch in einem kurzen Text „Bauen im anthroposophischen Kontext“ erläutert. Die entsprechende Architektur folge dabei keinem festgesetzten Prinzip, sondern orientiere sich an einem Funktionalismus, der die Wirkung des Raumes auf den Menschen in den Vordergrund stelle.
Für ihren Entwurf setzten sich Behnisch allerdings auch zum Ziel, auf „Basis einer schon älteren, zeitlosen Theorie Neues entstehen“ zu lassen, so die Architekt*innen. Um den funktionalen Anforderungen an die Räumlichkeiten für die rund 1.000 Schüler*innen in insgesamt 28 Klassen gerecht zu werden, bedurfte es einer Erweiterung der bestehenden Flächen. Entstanden sind ein Verwaltungs- und ein Oberstufenneubau mit insgesamt rund 6.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche. Die Bauten, die vom Verein für ein freies Schulwesen, Waldorfschulverein in Auftrag gegeben wurden, konnten in diesem Jahr fertiggestellt werden. Sie reihen sich in ein Ensemble mehrerer Baugenerationen ein, unter anderem neben Gebäuden von Rolf Gutbrod und Billing Peters Ruff.
Für den Oberstufenneubau an der Südkante des Schulareals musste das ehemalige Verwaltungsgebäude weichen und neu platziert werden. Auf vier Geschossen wurden hier fast alle Lehrräume der höheren Klassen untergebracht. Die Grundrissgestaltung ist – wie in Waldorfschulen üblich – geometrisch frei angeordnet. Die Unterrichtsräume wurden entsprechend ihrer Funktionen strukturiert. So liegen im zweiten Obergeschoss unter anderem die Zeichenräume, in die über Deckenfenster zusätzliches natürliches Licht hereinfällt.
In den Klassenzimmern, die sich über alle Geschosse verteilen, findet der Unterricht der sogenannte Epochenunterricht statt. Das Untergeschoss beherbergt die naturwissenschaftlichen Unterrichtsräume und Werkstätten. Die Mitte des Gebäudes bildet ein gläsernes Atrium, das vom Pausenhof aus zugänglich ist und diesen nach innen erweitern soll. In diesem Sinne sind alle inneren Verkehrsflächen mit hölzernen Sitzgelegenheiten ausgestattet. Vom Atrium abgehend liegt im Erdgeschoss das Schülerrestaurant.
Das neue Verwaltungsgebäude wurde als Stahlbetonskelettbau realisiert und ist durch Stege in den oberen Geschossen mit dem angrenzenden Hort verbunden. Auch hier war die Funktionalität strukturgebend: die lauten Nutzungen wie Empfang und Publikumsverkehr liegen im Erdgeschoss. Darüber finden sich auf zwei Geschossen ruhigere Räume für Verwaltung und Lehrer*innen. Ein Höhepunkt in der Gestaltung stellt eine maßgefertigte Holztreppe im Eingangsbereich dar.
Organische Formen im Grundriss, die Holzverkleidung von Decken, teilweise auch von Wänden und Treppenaufgängen, kaum rechte Winkel und die Gestaltung getreu der Farblehre Rudolf Steiners stehen eindeutig im traditionellen Stil anthroposophischer Architektur. Doch ist es den Architekt*innen gelungen, diese mit modernen Elementen zu verbinden, wie etwa im Oberstufenneubau der komplett verglaste Speisesaal mit Blick über Stuttgart oder das über mehrere Höhenniveaus angelegte Dach mit Solarpaneelen zeigen.
Text: Isabel Herrle
Fotos: David Matthiessen
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