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24.07.2023

Ärmel hoch!

Zum UIA-Weltkongress 2023 in Kopenhagen


Anfang Juli trafen sich rund 6.000 Architekt*innen und Gäste aus aller Welt zum 28. UIA-Kongress in Kopenhagen. Die Stimmung war mitreißend, obwohl es fast nichts zu feiern gab.

Von Friederike Meyer

75 Jahre ist es inzwischen her, dass der Architektenweltverband Union Internationale des Architectes UIA in Lausanne gegründet wurde. Das Jubiläum bot den einzigen Anlass für wirklich feierliche Stimmung Anfang Juli in Kopenhagen. Dort trafen sich Vertreter*innen der nationalen Verbände, geladene Gäste und Interessierte zum 28. UIA-Weltkongress. Statt Schulterklopfen herrschte eine Stimmung des Ärmelhochkrempelns. Die Branche ist mitverantwortlich für den immensen Ressourcenverbrauch der vergangenen Jahrzehnte, ihr künftiger Beitrag ist entscheidend für das Erreichen der Klimaziele.

Natalie Mossin
, Präsidentin des UIA-Weltkongress 2023, machte in ihrer Eröffnungsrede klar: „Die Art und Weise, wie wir hier vorgehen, muss im Vergleich zur aktuellen Praxis mutig – sogar radikal – sein. Die Gesundheit des Planeten und grundlegende menschliche Bedürfnisse stehen auf dem Spiel, wir dürfen keine Zeit verlieren.“ So diskutierten laut Veranstalter mehr als 6.000 Teilnehmer*innen aus 135 Ländern in 150 Gesprächsrunden vom 2. bis 6. Juli darüber, wie es weitergehen könnte, ja muss.

Handlungskonzepte statt Big Names

Die Fragen hätten größer kaum sein können: Wie können Planer*innen eine inklusive, nachhaltige Welt mitgestalten, den Klimawandel bekämpfen, die Artenvielfalt erhöhen und die soziale Integration fördern? Auffällig war, dass die interessantesten Antworten weder mit schönen Fotos von Gebautem bebildert werden konnten, noch von bekannten Namen stammten. Anstatt Fertiges zu präsentieren, hatte ein Großteil der 400 Redner*innen Strategien mitgebracht, Aufrufe, Forschungserkenntnisse oder neue Sichtweisen. In den Vortragsräumen zeigten sich diese vielfach als Diagramme, Zeichnungen oder Tabellen an der Wand – oder entwickelten sich in Diskussionen oder persönlichen Gesprächen.

Die „7 Prinzipien des Universal Design“, die „5 Lehren der Pandemie“ oder die „8 Guidelines für die Zukunft“ – häufig ordneten Listen die anstehenden Aufgaben. In diesem Sinne wurden am Ende des UIA-Kongress auch die „Copenhagen Lessons“ verabschiedet – zehn Maßnahmen für schnelle und radikale Veränderung, mit der die „17 Sustainable Development Goals (SDG)“ der Vereinten Nationen erreicht werden sollen.

Join us!

Erfrischend war die Programmreihe „Next Gen“, in der es um die Perspektiven von Studierenden und jungen Berufstätigen ging. So stellte Nyasha Harper-Michon, die sich als „Archivistin“ bezeichnet, die tief verankerte Orientierung an Le Corbusiers (männlichem) Modulor als Hindernis gendersensiblen Planens dar. Architekt HY William Chan – der in Sydney als jüngster Kandidat überhaupt bei eine Kommunalwahl antrat und im Stab der Bürgermeisterin für die Stadtentwicklung zuständig ist – plädierte für mehr politisches Engagement. Und Studierende aus Südafrika, Dänemark und Ghana zeigten neben Ideen für bezahlbaren Wohnraum auch Wege der institutionellen Zusammenarbeit und Finanzierung auf.

Be part of our movement! Join us! Immer wieder wurde man eingeladen, Teil der Bewegung zu werden: für den Wandel in Afrika, für bezahlbare Wohnungen, für weniger Barrieren im Alltag. Entsprechend dem Kongressmotto „Sustainable Futures – Leave No One Behind“ wurde der Begriff „inklusiv“ denn auch in alle Richtungen ausgeleuchtet. Während der erblindete Architekt Chris Downey für physische Barrieren im Alltag sensibilisierte, machten andere auf soziale Ungleichheit aufmerksam.

Magda Mostafa
von der American University in Kairo wies darauf hin, dass in den armen Vierteln der Welt seit Jahren Dinge aus fast nichts entstehen. Der globale Norden habe die Ressourcendes Südens ausgebeutet und müsse nun lernen, Material wiederzuverwenden. „Ja, wir brauchen eure Unterstützung“, sagte Mostafa mit Blick auf Europa, „aber Iihr in der reichen Welt braucht uns auch, ihr könnt viel von uns lernen.“ Wie das aussehen könnte, zeigte Marina Tabassum eindrucksvoll mit einfachen Strukturen für den ständig überschwemmten Norden von Bangladesh. Anna Heringer wiederum bat um Entschuldigung für die Hinterlassenschaften der reichen Länder in den Ländern des globalen Südens.

Vorbild Dänemark

In Bezug auf den gesellschaftlichen Stellenwert von Architektur konnten die Gäste schließlich auch von den Dänemark lernen, das diesen Kongress vielstimmig und zukunftsweisend vorbereitet hatte. Nicht nur konnte man die vielen Bauten, Brücken und öffentlichen Plätze von Kopenhagen besuchen, die der Stadt den Titel UNESCO-Welthauptstadt der Architektur 2023 eingebracht hat. In der Innenstadt standen Pavillons aus verschiedenen Materialien, die Metroanzeigen wiesen den internationalen Gästen den Weg zum Kongress, und die Stadt empfing im wichtigsten politischen Saal zur Eröffnungsfeier.

Schließlich machte ein Besuch im Danish Design Center im BLOX deutlich, wie Dänemark sein Design-Erbe nach vorne denkt. CEO Christian Bason erklärte, nachhaltiges Design dürfe nicht als Produkt, sondern müsse als Gestaltung eines guten gesellschaftlichen Miteinanders verstanden werden. Unternehmen wie Regierungen könnten einen Teil der Freiheit und Kreativität der Designbranche gut gebrauchen.


Zum Thema:

Der UIA als Zusammenschluss nationaler Berufsverbände will die Architekt*innen einen, die Politik beeinflussen und die Architektur im Dienste der Bedürfnisse der Gesellschaft voranbringen. Aller drei Jahre treffen sich die Verbände in einer anderen Stadt zum Weltkongress. Rio de Janeiro, Seoul und Durban waren die Gastgeber der vergangenen Jahre. In Kopenhagen wurde die Schweizer Architektin Regina Gonthier zur neuen UIA-Präsidentin 2023–26 gewählt. Sie folgt auf den Mexikaner José Luis Cortés, der das Amt zuvor inne hatte.

Mehr zum Erfolgsrezept Kopenhagen in der Baunetzwoche#624. Mehr zur Designszene in Kopenhagen in der Baunetzwoche#618.


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