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22.06.2023
Generalshotel akut bedroht
Zum Protest gegen die Abrisspläne am ehemaligen Flughafen Berlin-Schönefeld
Von Diana Artus
Ein großer Bauschuttcontainer steht schon da, direkt neben dem Eingang der als Generalshotel bekannten Villa auf dem Vorfeld des einstigen Flughafens Schönefeld, das nun zum Gelände des BER gehört. Schon in wenigen Wochen könnte das Baudenkmal unwiederbringlich verloren sein – es soll abgerissen werden. Beschlossen wurde der Rückbau gegen das Votum der Landesdenkmalpflege bereits 2011 im Zuge der Planungen des BER. Damals wurde argumentiert, der historische Bau stünde dem vorgesehenen Neubau eines Regierungsterminals im Weg. Im Herbst 2022 wurde jedoch bekannt, dass die Bundesregierung aus Kostengründen darauf verzichtet und weiter das vor wenigen Jahren errichtete Interimsgebäude nutzt. Dennoch wollen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), die das Gebäude verwalten, den Abriss noch im Laufe des Sommers vollziehen. Man benötige die Fläche für den Flughafenbetrieb, lautet die Begründung. Genauer gesagt sollen hier künftig zwei Flugzeuge der Regierungsstaffel parken.
Beim Generalshotel handelt es sich jedoch nicht etwa um irgendein unwesentliches Überbleibsel des alten Schönefelder Flughafens, auch wenn das Haus heute für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und wie aus der Zeit gefallen auf dem Areal des Terminal 5 steht. Vielmehr bescheinigen ihm Denkmalschützer und Historikerinnen einen Status als einzigartiges bauliches Zeugnis der frühen DDR-Geschichte. Noch dazu befindet es sich in sehr gutem Zustand, da es die Bundespolizei bis 2022 unter anderem als Rückführungsgewahrsam für abgelehnte Asylsuchende nutzte.
Von den Sowjets für den neuen Flughafen beauftragt, wurde die Villa im Stil des sozialistischen Klassizismus zwischen 1947 und 1950 nach Plänen von Georg Hell (1906–1986) errichtet und diente anschließend der „Sonderabfertigung“ prominenter Persönlichkeiten und Staatsgästen der DDR. Dementsprechend opulent ist ihre Innenausstattung mit hochwertigen Materialien, baugebundenen Kunstwerken und aufwendig gearbeitetem Inventar, darunter Metallgestaltungen des Kunstschmieds und Bildhauers Fritz Kühn (1910–1964).
Denkmalwerte Ausstattungselemente sollen in Abstimmung mit der Denkmalpflege gesichert werden, teilt die BImA dazu mit – wo und wie genau war beim gestrigen Presserundgang, zu dem die Initiative „Generalshotel retten!“ geladen hatte, allerdings nicht zu erfahren. Dabei steht der Abriss unmittelbar bevor, wie Sahra Damus, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, erklärte. Schon im Juli solle der Bau vollständig ausgeräumt werden, im August der Rückbau beginnen – der Baucontainer steht nicht zufällig bereit.
Grüne und Linke engagieren sich gemeinsam mit zahlreichen Architekt*innen, Denkmalschützer*innen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen schon seit einiger Zeit für den Erhalt des Gebäudes und fordern in einem offenen Brief ein sofortiges Abrissmoratorium. Sie führen dabei nicht nur die architektonische und historische Bedeutung an, die am gestrigen Abend von Stephanie Herold (Professorin für Städtebauliche Denkmalpflege und Urbanes Kulturerbe an der TU Berlin) und Haiko Türk (Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege) vor Ort noch einmal untermauert wurde. Auch hinsichtlich der aus Klima- und Ressourcenschutzschutzgründen dringend notwendigen Bauwende sei der Abriss eines rundum intakten, derart qualitätvollen Gebäudes auf keinen Fall vertretbar. Zumindest sollte zuvor eine öffentliche Diskussion über den Umgang mit dem Bau stattfinden, statt ihn klammheimlich und ohne Not einfach zu beseitigen, verlangt die Initiative.
Der Planfeststellungsbeschluss von 2011 müsste dafür nicht einmal geändert werden – man müsste lediglich von der Umsetzung absehen. Die vollständige Verlegung der Regierungsstaffel vom Flughafen Köln/Bonn nach Berlin habe einen Zeithorizont bis 2034, damit bestehe kein Grund zu überstürztem Handeln, so Damus. Man könne sich in Ruhe zusammensetzen, um die geänderten Planungen für den Regierungsflughafen neu zu bewerten und mögliche Nachnutzungskonzepte für das Gebäude zu entwickeln – zum Beispiel als Empfangsgebäude für die Regierungsstaffel. „Die Verhinderung des Abrisses ist ein Wettlauf gegen die Zeit“, betonte die ebenfalls gestern anwesende kulturpolitische Sprecherin der Linken, Isabelle Vandre, die Dringlichkeit der Sache. „Das Abrissmoratorium muss jetzt kommen, sonst gibt es nach dem Sommer kein Gebäude mehr, über dessen Weiternutzung wir miteinander diskutieren können.“
Fotos: Volker Sattel, Martin Maleschka, Archiv Fritz Kühn
Zum Thema:
Der Offene Brief kann hier eingesehen und unterzeichnet werden: generalshotelretten.blog
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Das Generalshotel auf dem Gelände des Flughafens BER soll abgerissen werden. Erbaut wurde es Ende der 1940er Jahre.
Die Initiative „Generalshotel retten!“ lud zur vielleicht letzten Begehung des Hauses.
Es gilt als bedeutendes und hervorragend erhaltenes Zeugnis der frühen Ostmoderne.
In seinem Inneren finden sich hochwertige Materialien und aufwendig gearbeitetes Interieur, deren Zukunft nun ungewiss ist.
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