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06.03.2023

Ein Dach für den Dachverband

DFB-Campus von kadawittfeldarchitektur in Frankfurt am Main


Nach 36 Monaten Bauzeit konnte in Frankfurt am Main die neue Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes eröffnen. Der nach Plänen von kadawittfelarchitektur entstandene DFB-Campus vereint erstmals Trainingsanlagen, Schulungsräume und Büros des Dachverbands. Jetzt müssen sich Bauherr- und Nutzer*innen nur noch den Neubau aneignen.

Von Kathrin Schömer

Fast scheinen weniger Sportler*innen als touristische Gruppen an diesem Mittwochvormittag Anfang März vor Ort zu sein – und tatsächlich ist der neue DFB-Campus in Frankfurt-Niederrad sowohl der Elitenförderung als auch der öffentlichen Sichtbarkeit des Spitzensportverbandes gewidmet. Erstmals sollten alle bisher an verschiedenen Orten stattfindenden Funktionen des Deutschen Fußball-Bundes unter einem Dach zusammenkommen, lautete die Idee von Oliver Bierhoff, der das prestigeträchtige Projekt initiierte. Den Auftrag nahmen kadawittfeldarchitektur ernst bis wörtlich. Das Büro mit Sitz in Aachen und Berlin ging aus dem zugehörigen Wettbewerb 2015 als Sieger hervor. Mit den Projektentwickler*innen Groß & Partner konnten sie das Zentrum auf dem Areal der ehemaligen Galopprennbahn 2022 fertigstellen.

Knapp 50.000 Quadratmeter umfasst die Sportinfrastruktur, deren Gebäude mit bis zu drei Geschossen in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens liegt. Die funktional unterschiedlichen Gebäudeteile – Verwaltung, Akademie, Konferenzbereich, Athletenzimmer und Sporthallen – reihen sich entlang einer von Norden nach Süden verlaufenden, komplett verglasten Magistrale, dem sogenannten Sportboulevard, auf. Darüber legt sich die alles verbindende Dachlandschaft aus hellen Aluminium-Stehfalzpaneelen. Wie schon in der Überarbeitung des Wettbewerbsentwurfes von 2018 ersichtlich, wurde auf die ursprünglich geplante Perforierung des Daches verzichtet. Stattdessen bezeichnen Verdichtungen der in Trapeze und Dreiecke aufgelösten Fläche programmatische Knotenpunkte für die Vogelperspektive. Auch die Verzahnung der Volumen mit den Spielfeldern im Außenbereich wird insbesondere von oben ersichtlich – schon beim Anflug auf die Mainmetropole soll der langgezogene Neubau weithin erkenn- und lesbar sein.

Die Auflösung von Flächen ist ein Thema, das den gesamten Komplex durchzieht: Die Untersicht des Daches wirkt ebenfalls wie gefaltet, hohe und lange Wandflächen wie die Außenwände der Indoorhalle wurden durch die Verwendung fünfeckiger Aluminiumpaneele aufgelockert. Pentagonale Intarsien, ähnlich den Flicken eines klassischen Lederfußballs, strukturieren in Grauschattierungen den PU-beschichteten Fußboden im Erdgeschoss – ein Motiv, das Greenbox Landschaftsarchitekten (Köln, Stuttgart) auch für Beete und Bodengestaltung des Außenraumes aufnahmen. Die Ebenen des inneren Korridors sind gegeneinander verschnitten, sodass trotz der gestaffelten Privatheit vielfältige Sichtbeziehungen im Gebäude möglich sind. Entsprechend des Passivhausstandards weisen die je nach Bereich unterschiedlich ausformulierten Aluminiumfassaden maximal 50 Prozent Glasanteil auf – aufgrund fehlender Referenzprojekte ist der Neubau jedoch nicht zertifiziert.

Ein räumliches Highlight bildet das den UEFA-Richtlinien entsprechende Indoorspielfeld mit seinen hohen Betonwänden und großen Oberlichtern aus ETFE-Folienkissen. Eine weitere Besonderheit stellen die Außenfelder dar, die sanft gesäumt vom Stadtwald dem Projekttitel der Landschaftsplaner*innen „Waldcampus“ Rechnung tragen. Hier profitiert das Projekt auch von der im Vorfeld des Baustarts für Querelen sorgenden, ehemaligen Nutzung des Standortes für den Pferdesport: Das teils erhöhte Gelände schafft einen weiten Blick und stellt die Verbindung über den ebenfalls auf dem Areal entstehenden, neun Hektar großen Bürgerpark hin zur Frankfurter Skyline her.

Dass der tatsächliche Anschluss an die Stadt indes noch unklar ist, zeugt zum einen vom notwendigen Ausloten zwischen öffentlichem Interesse und Schutz der Nachwuchsathlet*innen innerhalb des Bauwerks. Zum anderen erzählt es vom gerade erst beginnenden Aneignungsprozess der Bauherr- und Nutzer*innenschaft: Der repäsentative Haupteingang an der Kennedyallee ist am Besuchstag mit Bauzaun verschlossen.  Zudem ist er nur für KfZ wie Mannschaftsbusse gut erschließbar. Unser Zugang erfolgt über den eigentlich für die 700 Mitarbeitenden geplanten Zugang von der Schwarzwaldstraße aus. Dieser besticht durch Tramanschluss inklusive bereits umbenannter Haltestelle, gewährt Einblicke in die Fußballhalle und führt zudem in das große, als „Markthalle“ getaufte Foyer.

Auch die große Rasenfläche vor dem Restaurant harrt noch ihrer endgültigen Bestimmung. Von der Realisierung eines weiteren Spielfelds wurde aufgrund der hohen Emissionbelastung auf der Seite des Gebäudes abgesehen. Angedacht ist laut kwa ein Sportangebot, das sich verstärkt an die Anwohner*innen Niederrads richtet. Die Organisation der Verwaltung in Großraumbüros ist eine Neuerung in der 120-jährigen Geschichte des Fußballbundes. Die Qualität der Zuschauergalerie über der internen Futsal- und Mehrzweckhalle als Empfangsraum entdeckte die Nutzer*innenschaft erst nach der Planung. Und die vom DFB im öffentlichen Erdgeschoss installierten Unisextoiletten sorgen während unseres Rundgangs noch für merkliche Irritation beim touristischen Publikum.

150 Millionen Euro waren insgesamt für das Mammutprojekt veranschlagt. Darin enthalten sind die Baukosten, über die nur bekannt ist, dass sie innerhalb der kalkulierten Summe blieben. Die Finanzierung des Projekts stieß im Vorfeld auf Kritik, da Gelder aus dem steuerbegünstigten Bereich des als Verein organisierten Fußballbundes teils für kommerzielle Zwecke ausgegeben werden sollten. Ob dies dazu führte, dass vom ursprünglich angedachten Fanshop abgesehen wurde, bleibt Mutmaßung. Die alten DFB-Verwaltungsräume in der Südfrankfurter Otto-Fleck-Schneise dienen im Rahmen der EM 2024 der UEFA als Hauptquartier. Was danach aus ihnen wird, ist unklar.

Fotos: HG Esch, Nikolai Benner, Eduardo Perez, Julius Nieweler, Andreas Horsky


Zum Thema:

Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Version des Textes hieß es:

Nach 36 Monaten Bauzeit konnte in Frankfurt am Main das neue Leistungszentrum des Deutschen Fußball-Bundes eröffnen. ... Erstmals sollten alle bisher an verschiedenen Orten stattfindenden Funktionen des Deutschen Fußball-Bundes unter einem Dach zusammenkommen, lautete der Wunsch von Oliver Bierhoff und Hansi Flick, die das prestigeträchtige Projekt anlässlich der WM 2014 initiierten. ...
Noch herrscht eine regelrechte Eingangsrivalität zwischen dem repäsentativen, nur für KfZ wie Mannschaftsbusse gut erschließbaren Haupteingang an der Kennedyallee und dem eigentlich für die 800 Mitarbeitenden geplanten Zugang von der Schwarzwaldstraße aus. ... Auch das durch Emissionsbelastung nicht genehmigte Spielfeld an der Schwarzwaldstraße harrt noch seiner endgültigen Bestimmung. Angedacht ist ein Sportangebot, das sich verstärkt an die Anwohner*innen Niederrads richtet. Die Organisation der Verwaltung in Großraumbüros ist eine Neuerung in der 120-jährigen Geschichte des Fußballbundes. Die Qualität der Galerie über der internen Futsal- und Mehrzweckhalle als Empfangsraum entdeckte die Nutzer*innenschaft erst nachträglich. Und die vom DFB im öffentlichen Erdgeschoss installierten Unisextoiletten sorgen noch für merkliche Irritation beim fußballinteressierten Publikum.

Diese Aussagen wurden auf Wunsch des DFB präzisiert.


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

kadawittfeldarchitektur


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Mammutprojekt ohne Referenzbauten: Der neue DFB-Campus in Frankfurt am Main.

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Eine charaktervolle, aber abgestorbene Stieleiche markiert den Haupteingang. Da sei der Heldbock drin, heißt es von kadawittfelarchitektur.

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Der sogenannte Marktplatz mit Lichtskulptur aus Hochsprungstäben.

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Räumliches Highlight: Die Fußballhalle ist in der Größenordnung europaweit einzigartig.

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