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13.05.2022
Backsteinstrukturalismus in Cambridge
Unibibliothek von Niall McLaughlin Architects
Für Fans des britischen Hochschulwesens dürfte es nicht sehr viel ehrwürdiger gehen: Das Magdalene College der University of Cambridge gehört zu den konstituierenden „alten“ Colleges der weltberühmten Institution. Gegründet wurde die Einrichtung, die im Rahmen des offiziellen universitären Programms Wohnen, Leben und Lernen miteinander verbindet, im Jahr 1428. Jedes College ist eine unabhängige Organisation mit einem ganz eigenen Charakter, einerseits Wohnheim und soziale Gemeinschaft, andererseits aber auch pure akademische Tradition mit engem Austausch über die Generationen hinweg. Und das vergleichsweise kleine Magdalene College gehört nach eigenen Aussagen zu den schönsten Ensembles in Cambridge. In dieser herausfordernden Umgebung konnten Níall McLaughlin Architects aus London kürzlich eine neue Bibliothek fertigstellen.
Für das College im Nordwesten von Cambridge ist die Bibliothek die erste bauliche Ergänzung seit mehr als 50 Jahren. Das neue Haus mit seinen charakteristischen Spitzgiebeln entstand gegenüber der historischen Pepys Library direkt am Fellows' Garden. Mit seinen roten Backsteinfassaden und den angedeuteten Kaminen zeigt es klare Anleihen an den historischen Bestand. Zugleich könnte es sich aber auch um ein Gebäude aus den 1960er Jahren handeln oder um ein moderates, postmodernes Exemplar. Níall McLaughlin Architects gelingt also das Kunststück, ihren Entwurf einerseits sensibel in die geschichtsträchtige Umgebung einzufügen, andererseits aber in Hinsicht auf die zeitliche Einordnung auch ein Stück weit unbestimmt zu bleiben.
Diese Ambivalenz setzt sich im Inneren fort, wo zusätzlich noch ein Hauch Strukturalismus zu erkennen ist. Die Bibliothek setzt sich im Grundriss nämlich aus zwölf Modulen zusammen, die jeweils durch Backsteinstützen als Haupttragwerk gebildet werden. Zwischen dieser Grundstruktur sind die einzelnen Geschosse als Brettsperrholzkonstruktion eingehängt. Teilweise sind die turmartigen Module außerdem zu gebäudehohen Räumen zusammengefasst. Wer möchte, kann in dieser Konfiguration ein spätes Echo von Herman Hertzbergers Centraal Beheer sehen. Studierende und Fellows betreten das Gebäude über eine Lobby im Süden und gelangen zunächst in ein etwas unübersichtliches Erdgeschoss mit Räumen für die Verwaltung, einem Archiv, einer Ausstellungshalle und Platz für soziale Zusammenkünfte. Von dort führt eine Treppe in die beiden Obergeschosse mit der eigentlichen Bibliothek.
Eine zentrale Halle dient hier als Hauptlesesaal, um den herum auf beiden Stockwerken kleinere Räume mit Bücherregalen und weiteren Arbeitsplätzen angeordnet sind. So entstehen einerseits lange Raumfluchten und viele Blickbeziehungen, andererseits aber auch Nischen und intimere Situationen. Gekrönt ist jedes der Module von einem offenen Kreuzgiebel mit vollverglasten Seiten. Dank – neben dem zentralen Lesesaal – weiterer Lufträume und Galerien wird das Licht schließlich auch in die unteren Geschosse geführt. Die Kamine sind übrigens nicht nur reine Zierde, sondern dienen tatsächlich der Entlüftung. Letztere kann sogar teils individuell am einzelnen Leseplatz gesteuert werden. (sb)
Fotos: Nick Kane
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