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18.05.2022

Gewebte Hülle

Textilfabrik in Bahrain von Leopold Banchini Architects


Sei es ein Besucherzentrum von Valerio Olgiati, ein Kulturzentrum von OFFICE Kersten Geers David Van Severen oder ein Kunstdepot von Studio Anne Holtrop – seit ein paar Jahren glänzt der kleine Golfstaat Bahrain immer wieder mit eindrucksvollen Kulturbauten. Verantwortlich dafür ist unter anderem Noura Al-Sayeh. Die Co-Kuratorin des mit dem Goldenen Löwen geehrten Bahrainer Biennale-Beitrags in Venedig von 2010 leitet schließlich mittlerweile das Architekturdepartment der Bahrain Authority for Culture and Antiquities.

Als Baustein eines größeren Vorhabens der Institution, das eine Revitalisierung und Neudefinition traditioneller Handwerke und Industrien in ganz Bahrain zum Ziel hat, stellten Leopold Banchini Architects (Genf) kürzlich im Dorf Bani Jamra im Nordwesten des Landes eine Textilweberei fertig. Gemeinsam mit Al-Sayeh realisierte das Schweizer Büro bereits 2019 einen Ausstellungsbau in Muharraq. Anders als bei dem dort errichteten minimalistischen Stahlbetongebäude setzten die Architekt*innen in Bani Jamra allerdings auf regionale Materialien und lokale Bau- und Handwerkstraditionen, um auch der Nutzung der Al Naasej Factory gerecht zu werden.

So bedienten sich Leopold Banchini Architects bei dem Bau der 340 Quadratmeter umfassenden Weberei einer traditionellen lokalen Baukunst namens „Arish“, bei der getrocknete Dattelpalmen ähnlich den vor Ort produzierten Textilien zu einer robusten Oberfläche verwoben werden. Die dabei entstandenen Teile setzten sie als Wand- und Dachelemente in eine gerasterte Holzkonstruktion ein. Heute ist diese Bauweise längst nicht mehr so verbreitet wie früher, dennoch gibt es ein paar Kunsthandwerker, die sie beherrschen. Sie wird vor allem bei temporären Bauten und in der Landwirtschaft angewendet.

Die Gruben im Inneren des Gebäudes haben ebenfalls einen historischen Hintergrund: Die bahrainischen Weber*innen gruben in der Vergangenheit unterhalb des Webstuhls ein Loch in den Boden, um während des Webens ihre Beine darin zu platzieren. Den Boden nutzten sie so als Tisch, um darauf ihre Fäden zu spannen. Diese Bodenvertiefungen, in denen die Weber*innen sitzen können, wurden im Entwurf bereits mitgedacht.

Dank der leichten Holzstruktur mit gewebten Dach- und Wandelementen, der Anlage kleiner Teiche und Springbrunnen sowie der Dachöffnungen, aus denen im Gebäudeinneren stehende Palmen herausragen, wirkt die Textilweberei wie ein Hybrid aus Garten und Bauwerk – zugleich luftig weit als auch schützend geschlossen. Diese Offenheit ist auch dem ganzheitlichen Konzept geschuldet: Der Bau soll nicht nur als Arbeitsplatz der Weber*innen, sondern auch als Treffpunkt für deren Freund*innen und die Dorfbewohner*innen dienen. In einem kleinen Laden können die vor Ort hergestellten Wandteppiche und Webarbeiten direkt erworben werden. (tp)

Fotos:
Dylan Perrenoud, Michael Jenner, Leopold Banchini Architects


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