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12.05.2022

Engagiert für Baukultur und Natur

Zum Tod von Karl Ganser


Von Ulrike Rose

Was wäre die Baukultur ohne Karl Ganser, was wird sie ohne ihn sein? Knapp 20 Jahre nach dem ersten Konvent beriet die Bundesstiftung Baukultur in Potsdam vergangene Woche wieder über die Lage der Baukultur – ohne ihn, auf den die Stiftungsgründung zurückgeht. Vielleicht würden wir ohne ihn den Begriff „Baukultur“ nicht einmal verwenden, den er beim Aufbau der Bundesstiftung in kleinen Kamingesprächen auf den Prüfstand stellte. Und deren Entstehen er mit einem Gründerkreis von 100 der klügsten Personen aus allen Bereichen der gebauten Umwelten erreichte.

Als „Mr. IBA Emscher Park“ geht Karl Ganser in die Geschichte ein, der am 21. April 2022 mit 84 Jahren viel zu früh verstarb. Er wollte 100 Jahre alt werden. Mit seinem Engagement für die Baukultur und die Natur hat er Deutschland (er)lebenswerter gemacht.

Dem Ruhrgebiet verhalf Karl Ganser zu enormem Stolz, indem er als Leiter der IBA Emscher Park mit seinen klugen Direktoren Walter Siebel, Peter Zlonicky, Tom Sieverts und Rolf Kreibich dafür sorgte, dass der Gasometer in Oberhausen, die Zeche Zollverein in Essen oder ein großes Stahlwerk in Duisburg nicht abgerissen wurden, sondern sich zu international bedeutenden Standorten der Industriekultur entwickelten. Er holte die besten Architekten, Landschaftsarchitekten und Ingenieure in die Region, die diese Industriekultur prägten und die weltweit Nachahmer fand.

Nach dem Ende der IBA holte ihn Carl Steckeweh um die Jahrtausendwende nach Berlin ins Deutsche Architektur Zentrum. Dort hob Karl Ganser die Idee für eine (Bundes)Stiftung Baukultur* aus der Taufe, die der „Un-Baukultur“ der Nachkriegsjahre etwas entgegensetzen, endlich wieder „Heimat bauen“ (Die ZEIT vom 27.03.2003) sollte. Und das, lange bevor „Heimat“ sich in den Ressorts der Ministerien wiederfand und der ländliche Raum wieder Zuwendung erfuhr. Denn für seine Heimat, das bayerische Schwaben, engagierte sich Ganser jahrzehntelang, stiftete zahlreiche Bürger-Demonstrationen an und verfasste unzählige Streitschriften.

Die Wildnis in der Stadt forderte er lange vor den hippen Urban-Gardening-Projekten ein. Er empfahl ein Moratorium für den Palast der Republik, setzte sich gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden ein und verweigerte den renommierten Kulturgroschen des Deutschen Kulturrates, um gegen den Abriss der landschaftsprägenden Schornsteine des ehemaligen Braunkohlekraftwerks Vockerode zu protestieren.

Weniger bekannt ist der Geograph für seine große Liebe zur Kunst und zur Schönheit – sei es die der Natur, der Malerei, der Musik. Wer ihn mit seiner Frau Ruth und Freunden einmal am Hackbrett erleben konnte, wusste, dass er nicht nur ein genialer Denker war, sondern auch ein talentierter Musiker. Und dazu ein herausragender Sportler.

„Er war der Begabteste seiner Generation“, schrieb Ulrich Borsdorf, langjähriger Direktor der Ruhr Museums auf Zollverein zu seinem überraschenden Tod. „Ich habe nie wieder mit so einem klugen Menschen zusammengearbeitet. Die Kombination aus großer Vision und hohem Pragmatismus war einzigartig“, sagte Tom Sieverts, als er vom Tod seines Freundes erfuhr. Karl Ganser war einzigartig. Halten wir sein Erbe streitbar lebendig!


Zum Thema:

Dieser Nachruf erscheint mit freundlicher Genehmigung von marlowes.de, wo er am 3. Mai publiziert und für diese Ausgabe leicht aktualisiert wurde.


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Karl Ganser (1937–2022). Foto: Wilfried Dechau

Karl Ganser (1937–2022). Foto: Wilfried Dechau


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