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29.04.2022
Gab es keine Alternativen?
Gedanken zum Abriss des Palastes der Republik in Berlin, dem das Humboldt Forum ein Themenwochenende widmet
Morgen beginnt im Berliner Humboldt Forum das erste einer ganzen Reihe von Themenwochenenden zum Palast der Republik. Der 1976 eröffnete Palast war Sitz der Volkskammer der DDR und diente als Kulturhaus. Er musste dem Neubau des Berliner Schlosses weichen. Der Abriss ist und bleibt eines der großen Traumata der deutschen Architektur-, Denkmal- und Geschichtspolitik. Die immer noch zentrale Frage ist: Gab es keine Alternativen?
Von Nikolaus Bernau
In den Jahren 2006–08 wurde der Rohbau des Palastes der Republik abgerissen, der nach einer bis auf den Stahl- und Betonkern gehenden Asbestsanierung verblieben war. Die Asbestsanierung war sicherlich notwendig und vom Gesetz vorgeschrieben. Im Unterschied zu dem in Platten verbauten Asbest im West-Berliner ICC war im Palast Spritzasbest verwendet worden, der nur durch das Abtragen bis auf die Tragkonstruktion beseitigt werden kann. Am Ende stand der Rohbau des Palastes mit der orangefarbenen Glasfassadenhülle.
Diesen Rohbau ebenfalls abzureißen, war aus technischer, wirtschaftlicher und ökologischer Perspektive auch schon vor über 20 Jahren erkennbar unsinnig. Das für mehr als 80 Millionen Euro von Asbest gesäuberte Stahlgerüst hatte laut einer (allerdings umstrittenen) Berechnung von Stahlverkäufern noch mehr als 200 Millionen Euro Neubauwert. Vom Staat wurde eine solche Berechnung auf Nachhaltigkeit nie gemacht.
Ebenso wenig interessierten die diversen Vorschläge, den Rohbau in einen Neubau für das Humboldtforum zu integrieren – was ohne Weiteres sogar bei einem Nachbau der Schlossfassaden möglich gewesen wäre. Lieber akzeptierte der zuständige Berliner Senat die Verdreifachung der Abrisskosten auf 32 Millionen Euro, die bei weitem nicht durch den Verkauf des Rohstahls gedeckt wurden.
Schon um 2006 wurde scharf moniert – auch vom Autor dieser Zeilen –, dass der Abriss eine immense Verschwendung von Grauer Energie sei. Das Auffüllen der gigantischen Untergeschosse mit Sand und die Zerstörung der wasserdichten „Schwarzen Wanne“ (um deren Auftrieb zu verhindern), vergrößerte diese Ressourcenverschwendung zusätzlich. Eine etwa vom Ingenieur des Gebäudes, Manfred Barg, vorgeschlagene Alternative wäre gewesen, die Plattform des Palastes sukzessive während des Rohbauabrisses von oben zu beschweren, bis der Neubau genug Last aufbringt. So aber wurde kostbarer unterirdischer Raum auf Dauer unbrauchbar gemacht. Die Behauptung der damaligen Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), der Sand sei ohne Weiteres entfernbar, beruhte bestenfalls auf blanker Kenntnislosigkeit etwa von Gewährleistungsvorschriften.
Politischer Abriss
Auch diese Verschwendungskultur zeigt, dass es sich beim Palast-Abriss letztlich um ein politisches Projekt handelte. Dieser Abriss aber wurde – entgegen der weithin kolportierten Legende der Abgrissgegner*innen – in mehreren Abstimmungen mit überwältigenden Mehrheiten demokratisch legitimiert wie sonst kaum ein anderes Bauprojekt der bundesrepublikanischen Geschichte.
Die Gründe für die Ablehnung des Gebäudes waren divers: Für manche – keineswegs alle! – DDR-Oppositionelle stand der Bau vor allem für die Machtanmaßung der SED. Manchen Berliner Stadtbildtraditionalist*innen war der ästhetische Modernismus des Gebäudes ein Gräuel. Manche Nationalbewusste wünschten sich die Fassaden des Schlosses zurück, um die Kontinuität der zweiten Bundesrepublik zur ersten deutschen Einigung von 1870 demonstrieren zu können. Preußen-Fans sahen die Gelegenheit, das Image Preußens zu verbessern. Die Stadt Berlin und die Bundesregierungen fürchteten, auf den Betriebskosten für den Rohbau sitzen zu bleiben oder gar durch seine Reaktivierung einen neuen Kostgänger zu erhalten.
Doch reichte all dies nicht für den endgültigen Abriss. Dazu brauchte es wenigstens den Anschein eines schlüssigen Nutzungskonzepts für das Gelände, das der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Klaus Lehmann und der Generaldirektor der Staatlichen Museen Peter-Klaus Schuster 2000 skizzierten: Ein gewaltiges Museums- und Kulturzentrum nach dem Vorbild des Centre Pompidou mit der nachgebauten Schlossfassade drum herum.
Dass das Versprechen von Lehmann und Schuster auch auf der Ausblendung von zentralen Teilen der Geschichte der Museen als künftigen Nutzern und des Schlosses als Hülle dieser Museen beruhte, zeigte sich spätestens mit der skandalöserweise rekonstruierten Inschrift an der Schlosskuppel, die die Unterwerfung der Menschheit unter Jesus Christus fordert – über einem Kulturzentrum, das die oft katastrophalen Folgen dieses Machtanspruchs bearbeiten soll.
Arroganz der Avantgarde
Erfolg hatten die Abrissbefürworter*innen aber auch, weil es den Gegner*innen des Palastabrisses nie gelang, ein politisch oder wenigstens gesellschaftlich überzeugendes Alternativkonzept zu entwickeln. Sie ergingen sich lange in reaktionärer Palast-Sentimentalität, die ignorierte, dass dessen Funktion als Vergnügungs- und Veranstaltungsort in der DDR in der neuen, vielfältigen Umwelt schlichtweg überflüssig war.
In der phänomenalen „Zwischenpalastnutzung“ kam neben erheblicher Ruinenromantik auch ein erhebliches Maß an selbstbehaupteter Avantgardearroganz gegenüber der breiteren Bevölkerung, blühende Ahnungslosigkeit über die Funktionen moderner Bibliotheken und Museen und blanke Ignoranz der Bedeutung des Ethnologischen Museums mit radikaler Staatsfeindlichkeit zusammen. Der Staat sollte nur zahlen, aber keinen Einfluss haben. Damit setzten sich die Abrissgegner*innen selbst schachmatt. Das Ergebnis kennen wir.
Zum Thema:
Das Themenwochenende „Hin und weg“ im Humboldt Forum zum Palast der Republik findet am Samstag, 30. April von 14 bis 22 Uhr und am Sonntag, 1. Mai 2022 von 10 bis 18 Uhr statt. Mit Ausnahme des Führungsprogramms am Samstag ist der Eintritt frei. Weitere Informationen unter humboldtforum.org.
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Palast der Republik (1977). Foto: István Csuhai / Wikimedia / CC BY-SA 3.0
Rückbau des Palastes der Republik (2008). Foto: Sir James / Wikimedia / CC BY-SA 3.0
Begrünte Freifläche nach dem Abriss mit der Temporären Kunsthalle Berlin von Adolf Krischanitz rechts oben im Bild (2009).
Das Humboldt Forum im Bau (2017). Foto: Gerd Eichmann / Wikimedia / CC BY-SA 4.0