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30.06.2009
Umstürzende Neubauten
Richtfest in Shanghai fällt flach
Nachdem wir letzte Woche über den Lichttest des imposanten China-Pavillons für die Shanghai 2010 World Expo berichtet haben (siehe BauNetz-Meldung vom 23. Juni), fiel hingegen das Richtfest für ein Luxus-Apartmentgebäude in der chinesischen Hafenmetropole sprichwörtlich flach: Am Samstagmorgen stürzte der 13-stöckige Neubau im Bezirk Minhang unvermittelt um und tötete dabei einen Bauarbeiter, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtet.
Augenzeugen gaben an, das scheibenartige Gebäude habe gegen 5.30 Uhr morgens begonnen umzustürzen. Zhang Supong, ein Zeuge, der am Ufer des Flusses gegenüber dem umgestürzten Gebäude wohnt, berichtete, seine Familie und die Nachbarn hätten morgens erschrocken bemerkt, dass die Erde zu beben begann. Ein etwa 30-jähriger Mann, der anonym bleiben wollte, erklärte gegenüber China Daily, er habe gerade eine Wohnung in einem anderen Gebäude desselben Entwicklungsprojekts gekauft. Nun wolle er den Vertrag schnellstens kündigen.
Das Wohnungsprojekt „Lotus Riverside“, das aus elf identischen Gebäuden besteht, befindet sich in Minhang, einem Neubauviertel für den gut betuchten Mittelstand, nur fünf Bahnhaltestellen vom Stadtzentrum Shanghais entfernt. Der Kaufpreis für Wohnungen beträgt hier 18.000 Yuan (etwa 1.900 Euro) pro Quadratmeter.
Die evakuierten Bewohner der 132 benachbarten Haushalte durften gestern nach Hause zurückkehren, nachdem eine offizielle Untersuchung einen Einsturz der Nachbargebäude gleicher Bauart ausgeschlossen hatte.
Der Unfall könnte verschiedene Ursachen haben. Viele Nachbarn glauben, minderwertige Baumaterialien seien die Ursache des Desasters. Pressefotos vom Unfallort zeigen jedenfalls am unteren Ende des Gebäudes abgebrochene, hohle Betonpfähle, die nur sparsam armiert sind. Andere spekulieren, dass ein mangelhafter Staudamm gegen den Fluss Dianpu die wahre Ursache sein könnte. Shanghaier Medien hatten tags zuvor von Rissen in einem Damm berichtet, der die dahinter liegenden Gebäude gegen Überflutung schützen soll. Ein namentlich nicht genannter Insider der Baubranche behauptete gegenüber Beijing News, dass eine groß angelegte Baugrube für eine Tiefgarage nahe des Gebäudes das Erdreich rund um den Neubau instabil gemacht habe. Das sei noch dadurch verschlimmert worden, dass der Bodenaushub direkt neben dem Gebäude aufgeschüttet worden sei. Denkbar ist am Ende auch, dass alle drei genannten Gründe zusammengewirkt haben. Zudem ist der Grundwasserspiegel recht hoch, und in der Nacht zuvor hatte es stark geregnet.
Mit dem Bau und Verkauf von Luxus-Apartments ist – der allgemeinen Finanzkrise zum Trotz – zur Zeit „im größten Entwicklungsland der Welt“, so die offizielle Sprachregelung, immer noch viel Geld zu machen. Der Beijing News zufolge wurden inzwischen neun Personen im Zusammenhang mit dem Unglück verhaftet, darunter, wie betont wird, der „Projektentwickler, der Bauunternehmer sowie der Quality Supervisor“.
(Till Wöhler, Peking)
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