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06.04.2022
Robuste Landschaft Mauerpark
Zum Tod von Gustav Lange
Von Lars Hopstock
Gustav Lange war eine prägende Figur der deutschen Landschaftsarchitektur. Insbesondere in den 1990er-Jahren erregte er mit seinen Projekten Aufsehen. Bekannt sind seine anlässlich der Documenta IX mitten auf dem Kasseler Königsplatz errichtete hölzerne „Treppe ins Nichts“ (1992, 2000 abgerissen) und seine Berliner Projekte für den Mauerpark und die Narva-Höfe in der Oberbaum City.
Der gebürtige Oldenburger Lange absolvierte eine Gärtnerausbildung in dem traditionsreichen Stuttgarter Betrieb von Adolf Haag. Dieser empfahl ihm Ende der 1950er-Jahre das Studium an der Werkakademie Kassel, die sein Freund Hermann Mattern im Bauhaus-Gedanken mitbegründet hatte. Dort konnte Lange in der von Mattern geleiteten Abteilung „Landschaftskultur“ studieren. 1961 ging er auf Matterns Rat zu Carl Theodor Sørensen an die Kopenhagener Kunstakademie. 1968/69 gründete er mit Bildhauer Hinnerk Wehberg und Grafikdesigner Wieland Schmidtke das Büro, das bis heute als WES LandschaftsArchitektur existiert. Unter den ersten, künstlerisch-skulptural ausgerichteten Projekten fanden sich das Paketpostamt Altona und der Gerhart-Hauptmann-Platz in Hamburg.
1993 sagte sich Lange überraschend von seinen Partnern los, um sein eigenes Büro zu gründen. Der 1994 eröffnete Mauerpark in Berlin wurde das Projekt, das mit seinem Namen am stärksten in Verbindung gebracht wird. Der Park verkörperte im Berlin der 90er-Jahre das Image der Stadt wie kein anderer. Große Schaukeln lassen einen gefühlt über die Mauer schwingen. Der Park ist bis heute mit seiner Robustheit und der funktionierenden Dichte an nicht-kommerziellen Nutzungen wie Karaoke, Flohmarkt, Graffitiwand, Boule und Barbecue einer der ikonischen Freiräume der Stadt.
Die „Meister“ Mattern und Sørensen prägten Lange. In der Auseinandersetzung mit ihnen reifte aber auch seine Opposition zu einigen ihrer Vorstellungen. An seinem Kasseler Lehrstuhl, den er zwischen 1989 und 2002 innehatte, hinterließ er ein Konglomerat an Zeichnungen, Polaroids und überzeichneten Fotos die zeigen, wie sehr er aus dem Vorgefundenen heraus seine Entwürfe entwickelte. Wichtig waren Lange auch die kleinen Elemente des Bestands als Grundlage seines Entwerfens. Von Fundstücken ließ er sich unmittelbar inspirieren, eine Stimmung oder ein Stein konnte zum Kondensationspunkt für einen ganzen Freiraum werden. Es ging ihm um das Aufspüren historischer Referenzen und kleiner Geschichten, um das Zulassen von Zufall, um „die Rekombination des Vorhandenen, und nicht um neue gestalterische Komplexe – davon gab es und gibt es mehr als genug“, wie er in seinem Abschiedsvortrag an der Universität Kassel 2002 sagte.
Aus dieser Sichtweise heraus entstand – anders als sich vielleicht erwarten ließe – eine klare Formensprache, die seine Arbeiten einprägsam macht. Den Mauerpark strukturieren Archetypen wie der Birkenhain oder das Amphitheater. Ruppige Granitblöcke, die mit Bohrlöchern und Bruchkanten die Spuren des Abbaus zur Schau stellen, bilden zusammen mit den Baumhainen ein lesbares räumliches Gerüst. Pflanzen und Materialität sind auf Langlebigkeit und Robustheit hin ausgerichtet und lassen dabei doch ein gewisses Maß an Prozesshaftigkeit zu.
Lange galt als streitbarer Eigenbrötler. Über viele Jahre kämpfte er für den Erhalt seiner bei der Bevölkerung umstrittenen „Treppe ins Nichts“, die schließlich im Jahr 2000 vom damaligen Kassler Oberbürgermeister in einer Nacht- und Nebel-Aktion abgerissen wurde. Beim Berliner Mauerpark beharrte er auf der Unantastbarkeit des von ihm freigelegten alten Kopfsteinpflasters, als eine Fahrradspur dorthin gelegt werden sollte. Anderseits beteiligte er sich bei der Erweiterung des Parks intensiv und im Austausch mit der Bürgerwerkstatt „Mauerpark fertig stellen“ am Dialog. 2020 – zweieinhalb Jahrzehnte nach Eröffnung des ersten Teils – wurde der Mauerpark nach seinen Plänen auf die ursprünglich geplante, annähernd doppelte Größe erweitert. Die vermisste Radwegeverbindung konnte hier integriert werden.
Einen anderen Aspekt seiner Arbeit kann man in der Oberbaum City erleben. Hier wurde Lange zum Naturpoet. Die meditative Atmosphäre lässt an den japanischen Kiesgarten denken, den er für sein südlich von Lübeck gelegenes Gehöft gestaltet hatte. Vier gigantische Tuffsteinblöcke aus Slowenien stehen als urtümliche Quellsteine in den Sichtachsen der Höfe. Das Wasser rinnt im Sommer über Farne und Moose und lässt im Winter eindrückliche skulpturale Formen aus Eis entstehen – ein Stück Urnatur in der „hochverdichteten Kulturlandschaft“, wie er es nannte. Bereits am 7. März 2022 starb Lange im Alter von 84 Jahren.
Fotos: Erik-Jan Ouwerkerk
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Gustav Lange (1937–2022)
Mauerpark in Berlin (1994)
Narva-Höfe in der Oberbaum City in Berlin (1998)
Uferpromenade an der Elsenbrücke in Berlin (1998)
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