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16.03.2022

Buchtipp: Louis Kahn

The Importance of a Drawing


Mit den Zeichnungen von Louis Kahn (1901–74) hat der amerikanisch-deutsche Architekt und Forscher Michael Merrill scheinbar sein Lebensthema gefunden. 2008 schloss er seine Promotion zu Kahns ikonischem Dominican Motherhouse (1965–69) ab. Es folgten zwei Publikationen zu diesem wichtigen, nicht-realisierten Projekt bei Lars Müller Publishers. Im letzten Jahr erschien nun im selben Verlag Louis Kahn. The Importance of a Drawing – ein 500-Seiten-Wälzer, der vom Verlag selbstbewusst und sicherlich nicht ganz zu Unrecht als ein kommendes Standardwerk zu Kahn beworben wird.

Über 900 Abbildungen haben Herausgeber Merill und seine Co-Autor*innen aus den Tiefen der Archive zusammengetragen, mit Sorgfalt für die kiloschwere Publikation ausgewählt und mit viel Liebe zum Detail angeordnet. Großformatig zelebriert werden die Pläne und Zeichnungen jedoch nur in den seltensten Fällen. Stattdessen geht es um Bildreihen und Gegenüberstellungen, um das Rekonstruieren von Entwurfsprozessen oder um das Nachvollziehen der Genese von Form mittels Bildfolgen. Kurz gesagt hat man es hier mit einer genuin architektonischen Forschung zu einem der wichtigsten Architekten der Nachkriegsjahrzehnte zu tun, der dem spätmodernen Mainstream sehr eigenständige Alternativen gegenüberstellte, die er aus der Beaux-Arts-Tradition und dem klassischen Formenkanon entwickelte.

40 Kapitel umfasst das Buch. Sie alle drehen sich um Skizzen, Zeichnungen, Pläne, Grafiken, Drucke und Malerei – tun dies jedoch auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Oft geht es um einzelne Projekte, dann auch mal um Darstellungstechniken wie Aufriss, Axonometrie oder Diagramm. Aber auch abseitigeren Themen, wie Kahns faszinierenden Pastellstudien historischer Bauten und Ruinen, seinen Entwürfen für Wandmalereien oder einer Lithographie für einen Gedichtband widmet Merrill eigene Kapitel. Ein kurzer Blick auf einige Zeichnungen des 12-jährigen Kahns offenbart, mit welchem Können er bereits als Kind zu zeichnen verstand.

Der Herausgeber tritt in den meisten Fällen als Autor auf, daneben lieferten weitere Autor*innen thematische Beiträge. Und auch Kahn selbst kommt zu Wort – in Form vieler Zitate, die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Konsequenterweise findet man so gut wie keine Architekturfotos in der Publikation. Zumindest eine kleine „Gedächtnisstütze“ gönnt Merrill seinen Leser*innen, indem er – nach 500 Seiten voller Zeichnungen – ganz hinten im Buch eine Doppelseite mit Fotos der 18 wichtigsten Bauten bringt. Ein deutlicheres Bekenntnis zum Medium Zeichnung ist eigentlich nicht denkbar.

Text: Gregor Harbusch

Louis Kahn. The Importance of a Drawing

Michael Merrill (Hg.)
Englisch
512 Seiten
Lars Müller, Zürich 2021
ISBN 978-3-03778-644-4
80 Euro


Die erste Auflage ist bereits vergriffen, die zweite soll Mitte April erscheinen.


Zum Thema:

Mehr zu Louis Kahn – insbesondere Fotos seiner Bauten – findet man in BAUNETZWOCHE#309 „Die Kraft der Architektur“.


Kommentare:
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Skizzen der Regierungsbauten in Sher-e-Bangla Nagar, Dhaka (Bangladesch), 1962–83, Skizzenbuch 1963

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Louis Kahn in seiner Meisterklasse an der University of Pennsylvania, circa 1963/64, fotografiert von Martin Rich

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Bibliothek der Phillips Exeter Academy in New Hamsphire, 1965–72, Zeichnung November 1968

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