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14.12.2021

Buchtipp: Baustelle Ewigkeit

Matthias Hoch. BER


Wahrscheinlich ist über kein anderes Gebäude in den Baunetz-Meldungen so viel berichtet worden wie über den Flughafen Berlin-Brandenburg – was angesichts seiner mehr als 20-jährigen chaotischen Entstehungsgeschichte auch nicht verwundert. Schon dem Spatenstich 2006 waren etliche Jahre Planungs- und Vergabestreitigkeiten vorausgegangen. Und nach dem hoffnungsfrohen Richtfest kam dann lange nichts außer der immer neuen Verschiebung des Eröffnungstermins, so dass man der 2014 eigentlich als Aprilscherz vermeldeten Urban-Gardening-Nutzung des Flugfelds sogar ernsthaft Glauben schenken konnte.

Doch dann geschah im Herbst 2020 schließlich das kaum mehr für möglich Gehaltene: Terminal 1 des BER wurde in Betrieb genommen. Dass die an Mängeln und Misswirtschaft reiche Historie des Hauptstadtflughafens damit kein Happy End gefunden hat, wissen alle, die seither von hier aus abgeflogen sind oder regelmäßig Zeitung lesen. Immer wieder ist die Rede von Fehlalarmen, technischen Ausfällen und tumultartigen Zuständen an der unterbesetzten Abfertigung. Als einer derjenigen, die den BER schon live erlebt haben, forderte der Journalist Peter Richter gar vor Kurzem in der Süddeutschen Zeitung, man möge diesen Horror-Flughafen schleunigst wieder abreißen.

Eigentlich möchte man also beim Stichwort BER nur noch müde abwinken und sich lieber etwas Positivem zuwenden. Doch an diesem Bildband bleibt das Auge hängen: Der Leipziger Fotograf Matthias Hoch zeigt in 52 ruhigen, konzentrierten Fotografien das Terminalgebäude und sein näheres Umfeld im jahrelang währenden Zwischenstadium des Fast-Fertigseins. Es sind Bilder, in denen eindrucksvoll die „Melancholie des Baus“ anklingt, wie es Freddy Langer 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausdrückte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Hoch gerade mitten in seinem Projekt.

Die Idee dazu kam ihm schon 2012 gekommen, als die für Juni geplante Eröffnung kurzfristig geplatzt war. Es sollte aber noch bis 2017 dauern, bevor er die endgültige Erlaubnis zum Fotografieren erhielt. Drei Jahre lang war Hoch anschließend immer wieder am BER unterwegs. Er habe zwölf Mal je eine Woche, also insgesamt drei Monate seines Lebens an diesem Flughafen verbracht, rechnet der Fotograf in einem Gespräch über seine Arbeit am Centre Pompidou im Juni 2021 vor. Die Eröffnung des Terminal 1 am 31. Oktober 2020 beendete das Projekt: Dieser Moment sei für ihn inhaltlich und visuell nicht mehr interessant gewesen.

Worum es dem Fotografen, dessen Werk um die gebaute Welt und insbesondere um öffentliche Funktionsräume kreist, in seiner Serie BER geht, ist vielmehr das Festhalten und Verbildlichen eines unklaren Schwebezustands an einem Ort, an dem alles bereit scheint, und der doch seine Bestimmung noch nicht gefunden hat. „Ich komme jetzt in ein Architekturmodell im Maßstab 1:1“, habe er beim ersten Betreten des Flughafengebäudes gedacht. Und ebenso modellhaft wirken auch die Fotografien, die Hoch hier mit einer Großformatkamera aufgenommen hat.

Auch wenn diese Bilder präzise dokumentieren und unverkennbar eine Baustelle zeigen, sind sie keinesfalls als Baudokumentation zu verstehen. Vielmehr wohnt ihnen eine poetische Mehrdeutigkeit inne, die die Tür zur philosophischen Reflexion aufstößt. Scheitern, Stillstand, das Vergehen der Zeit, der Mythos von Sisyphos ebenso wie „Warten auf Godot“, aber auch das Alltägliche als Skulptur und die faszinierenden Konsistenzen von Verpackungsmaterialien – all das bringt dieses Fotobuch zur Sprache.

Text: Diana Artus

Matthias Hoch. BER

Mit Fotografien von Matthias Hoch und Texten von Kathrin Röggla und Thomas Weski
Deutsch und Englisch
120 Seiten
Spector Books, Leipzig 2021
ISBN 978-3-95905-439-3
34 Euro


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