Am kommenden Sonntag ist Erntedankfest. Höchste Zeit also, um in der Scheune Platz zu schaffen für Neues. Dass dieses Neue schon lange kein Stroh und Heu mehr sein muss, hat nicht nur mit dem Wandel der Landwirtschaft zu tun. In der Architektur legte die Scheunentypologie nämlich innerhalb weniger Jahre eine derart steile Karriere hin, dass sie inzwischen für fast alle Nutzungen in Frage kommt.
Vorläufiger Höhepunkt ist natürlich die Museumsscheune, die Herzog & de Meuron gerade in Berlin errichten. Angesichts ihrer etwas arg simplen Gestalt fragen sich jedoch viele, ob diese ländliche Bauform tatsächlich dem Zentrum einer Millionenstadt und den benachbarten modernen Ikonen von Mies und Scharoun angemessen ist. Nur: dem Typus kann man seine aktuelle Popularität schlecht vorwerfen. Die Kombination aus archaischer Reduktion und innere Offenheit scheint einfach gut zum Zeitgeist zu passen – und zwar in Osaka ebenso wie in Portland oder Memmingen.
Wir haben uns achtzehn scheunenartige Gebäude angesehen und dabei festgestellt, dass der Grundtypus noch fast jede Bauaufgabe um eine interessante Dimension ergänzt. Das gilt für klassische Transformationsprojekte zu Wohnzwecken ebenso wie für die zahlreichen Neubauten, die auch mal Kindergärten, Pools oder Kirchen beherbergen können.
Vergessen sollte man außerdem nicht, dass der Weg von der Scheune zum Tempel kein weiter sein muss. Schon 1974 hatte dies der legendäre Heinz Bienefeld mit seiner Kirche St. Bonifatius gezeigt. Fürs Berliner Kulturforum kann dies nur Gutes bedeuten. (sb)
Bild: Kirche und Gemeindezentrum bei Göteborg von Kaminsky arkitektur, Foto von James Silverman