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17.09.2021
Lehmbau in Bangladesch
Therapiezentrum von Studio Anna Heringer
Menschen mit Behinderungen werden in Bangladesch oft stigmatisiert. Ihre Einschränkungen werden häufig dem schlechten Karma aus einem früheren Leben zugeschrieben. Und der Baustoff Lehm wird in dem südasiatischen Land gemeinhin als ungutes wie unmodernes Material angesehen, das Ziegeln oder Beton an Fähigkeiten unterlegen ist. Diese zwei Fakten lassen erahnen, wie außergewöhnlich das Projekt Anandaloy, ein Zentrum für Menschen mit Behinderungen, in dem kleinen Dorf Rudrapur fernab der Hauptstadt Dhaka im Norden des Landes ist. Studio Anna Heringer mit Sitz im bayrischen Laufen hat in Hinblick auf Architektur, Material und gesellschaftliches Engagement in Bangladesch etwas Besonderes verwirklicht, für das sie kürzlich mit dem Philippe Rotthier European Prize for Architecture ausgezeichnet wurde.
Bei Anandaloy kam Anna Heringers Erfahrung vor Ort – im Laufe der Jahre hat sie hier fünf Projekte realisiert, darunter die METI Schule – zusammen. Auftraggeber für das Gebäude mit 250 Quadratmetern BGF war wieder die lokale NGO Dipshikha. Der zweistöckige Bau mit hohem Dach besteht überwiegend aus den lokal verfügbaren Materialien Lehm und Bambus, als Fundament kamen gebrannte Ziegel, beim unteren Dach Stroh, beim oberen Dach Blech zum Einsatz. Bei der Behandlung des Lehms stützte man sich auf eine besondere Technik, die keine Schalung erfordert und damit Kurven genauso einfach herzustellen vermag wie gerade Wände. Dafür zog man auch den Spezialisten auf dem Gebiet Martin Rauch zu Rate.
Gut sichtbar ist die sich zum ersten Stock hinaufwindende große Rampe. Sie ist in der Region das weithin einzige Exemplar ihrer Art und hat bei den Bewohner*innen nach Angaben des Architekturbüros nachhaltige Diskussionen über gesellschaftliche Inklusion ausgelöst. Wie lässt sich der Einfluss eines gestalterischen Entwurfs besser demonstrieren?
Im Erdgeschoss befinden sich neben einem Sanitärbereich und einem Büro zwei Therapieräume. Sie bieten nun die ersten Therapieplätze in der von Armut geprägten Gegend, wo Menschen mit Behinderungen tagsüber meistens auf sich gestellt sind, da alle erwachsenen Familienmitglieder zur Arbeit gehen müssen. Der größte Raum im Erdgeschoss ist das „Wohnzimmer“. Statt therapeutischen Behandlungen dient dieser funktionsoffene Raum einem gemeinschaftlichen Zusammensein.
Die obere Etage mit einer umlaufenden Veranda beherbergt ein kleines Atelier mit Textilwerkstatt – Dipdii Textiles stellt dort fair Produkte her. Die Initiative für das Obergeschoss und dessen zusätzliche Nutzung entwickelte Studio Anna Heringer unter anderem mit der Modegestalterin Veronika Lena Lang. Idee ist hier, Frauen aus der Umgebung als Schneiderinnen Arbeitsmöglichkeiten zu geben, was Landflucht begegnen und die soziale Stellung von Frauen in der ländlichen Gesellschaft stärken soll. Außerdem können durch solche Tätigkeiten Menschen mit und ohne Behinderung stärker zusammengebracht werden.
Der Wissenstransfer war einer der Hauptaspekte des Projekts. Entstanden ist der Bau mit Hilfe von lokalen Handwerkern und Bauern aus der Region, darunter auch einigen Menschen mit Behinderungen. Die menschliche Arbeitskraft machte den größten Teil des Budgets aus. Anders als bei den früheren Projekten von Studio Anna Heringer, die stets unter Aufsicht des deutschen Büros standen, übernahm die Bauleitung in diesem Fall der bangladeschische Bauunternehmer Montu Ram Shaw. Für Heringer ist Anandaloy deshalb mehr als ein Bauwerk, vielmehr ein „echter Katalysator für die lokale Entwicklung“. (stu)
Fotos: Kurt Hoerbst, Stefano Mori
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Anandaloy ist ein Zentrum für Menschen mit Behinderungen und eine Textilwerkstatt.
Der Bau besteht überwiegend aus lokal verfügbarem Lehm und Bambus.
Studio Anna Heringer entwarf die Architektur und initiierte auch die Nutzungsmischung mit.
Veranda im Erdgeschoss.
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