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23.08.2021
Wohnzimmer trifft Forschungslabor
Nutzungshybrid von Rothen Architektur in Winterthur
Neuartige Ansätze im Wohnungsbau tauchen eher in Nischen auf, wenn alternative Finanzierungsformen und überschaubare Mittel ungewöhnliche Lösungen provozieren. Wie hier in Winterthur: Auf einem Industriegelände brachten die Stiftung Abendrot als Bauherrin – man kennt die Schweizer Stiftung etwa auch als Grundstückseigentümerin des experimentellen Projekts Holzmarkt in Berlin – gemeinsam mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Genossenschaft Zusammen_h_alt einen Bau zur Realisierung, dessen hybrides Konzept Seltenheitswert hat. Arbeiten, universitäre Bildung, Campusleben, Leben im Alter, individuelles und gemeinschaftliches Wohnen sind hier räumlich miteinander verzahnt, bis hin zum Vorlesungssaal neben dem Wohnzimmer. Entworfen und im Bau betreut hat dieses Projekt Rothen Architektur (Winterthur). Das Büro gewann 2013 einen zugehörigen Wettbewerb, 2016 begannen die Bauarbeiten, seit 2020 ist der Bau fertig.
Das 4.800 Quadratmeter große Grundstück liegt auf dem Sulzerareal südwestlich des Hauptbahnhofs von Winterthur. Die mehr als 30 Gebäude auf dem Gelände einer einstigen Gießerei stehen heute unter Denkmalschutz. Der Entwickler Implenia, die Stadt Winterthur und private Investoren wandeln das Gelände gemeinsam zu einem neuen Stadtquartier um. Die ZHAW hat hier unter anderem einen neuen Standort von pool Architekten für ihr Department Gesundheit realisieren lassen. Und in einer umgenutzten Industriehalle brachte sie ihr Department Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen unter. Gegenüber von dieser setzten nun Rothen Architektur ihr Gebäude als seitlichen Schlussstein des lang gestreckten Sulzerareals zwischen der flankierenden Tössfeldstraße und den Bahngleisen.
Das Raumprogramm ist komplex: Die Architekt*innen platzierten alle öffentlichen Funktionen wie Geschäfte und Gastronomie an der Stirnseite Richtung Tössfeldstraße. Über eine Treppe führt der Weg dann kaskadenartig zu den gemeinschaftlichen Bereichen des Wohntrakts. Aufgespannt zwischen den beiden Kopfbauten, zur Straße einerseits und zu den Bahngleisen andererseits, nimmt eine zweigeschossig hohe Halle alle Labor- und Lagerräume der ZHAW auf. Bahnseitig stapeln sich dann auf vier Ebenen noch die Unterrichts- und Klassenräume des Departments für Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen.
Direkt über der großen Halle beginnt im mittleren Gebäudeteil der Wohnbereich. Die Appartements werden über eine Rue Intérieure erschlossen, ebenso die Waschräume und die Ateliers der sogenannten „Tätigkeitsplattform“, die Menschen im Alter eine berufliche Beschäftigung und eine neue Form des Zusammenlebens ermöglichen soll. Die Bibliothek der Hausgemeinschaft und der Gemeinschaftsraum sind im ersten und dritten Obergeschoss einerseits zum Stadtraum ausgerichtet, gleichzeitig wird der Blick in eine grüne Gasse freigegeben.
Alle kleineren Wohnungen – die Architekt*innen legten Einheiten mit einer Wohnfläche von 40, 60 und 80 Quadratmetern an – sind für eine gute Belichtung jeweils in Richtung Süden und Westen orientiert. Die großen Wohnungen sind durchgesteckt und daher von zwei Seiten belichtet. Die Einheiten sind dank eines Baukastensystems an Ausbauelementen mit unterschiedlichen Wohnszenarien bespielbar. Das Team von Birgit und Beat Rothen beließ im Wohnbereich Decken, Böden und Wände roh. Die Böden sind aus Anhydrit, die Decke besteht aus Brettschichtholzelementen, alle Trennwände wurden in Trockenbauweise erstellt. In jeder Wohneinheit sind die Stützen des Tragwerks sichtbar. (sj)
Fotos: Martin Zeller
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Eine Holzfassade und farbige Fensterelemente machen das äußere Erscheinungsbild des hybriden Wohn-, Arbeits- und Universitätsprojekts aus.
Eine Rampe führt in die unterirdische Garage aus Beton.
Ein Stadtbalkon im dritten Obergeschoss legt den Blick auf das historische Industrieareal frei.
Die Materialien werden in den Wohnungen roh belassen, die Trägerstruktur ist sichtbar.
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