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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Interview_mit_Sauerbruch_Hutton_ueber_Maaglive_in_Zuerich_7705329.html

25.08.2021

Argumente für Abriss und Neubau

Interview mit Sauerbruch Hutton über Maaglive in Zürich


Ende Juni veröffentlichte BauNetz einen Beitrag zu den umstrittenen Plänen für das Maag-Areal in Zürich West. Dabei geht es um die Frage: Abriss und Neubau oder Umnutzung der kulturell genutzten Industriehallen? Die Grundstückseigentümerin Swiss Prime Site hatte einen Studienauftrag ausgelobt und möchte den Entwurf von Sauerbruch Hutton (Berlin) umsetzen, der einen Abriss der Maag-Hallen vorsieht. Doch weit über Zürich hinaus würden viele lieber den Vorschlag von Lacaton &Vassal (Paris) umgesetzt sehen, da dieser den kompletten Bestand erhalten würde. Bürogründer Matthias Sauerbruch und Entwurfsarchitekt/Partner Tom Geister erläutern ihre Position.

Interview: Friederike Meyer

Herr Sauerbruch, Herr Geister, was ärgert Sie an der aktuellen Debatte? 
Matthias Sauerbruch: Wir finden es sehr schade, dass die Debatte so konfrontativ läuft, und wir fühlen uns missverstanden. Wir haben bereits mehrere Interviews zum Thema gegeben, aber bisher ist keines erschienen. In den Veröffentlichungen in der Süddeutschen Zeitung und zuvor in der NZZ ging es vorrangig um den Gegensatz von Abriss und Erhalt. Es entstand das Bild „Abriss = unökologisch, top-down, kulturfeindlich“ und „Erhalt = ökonomisch, bottom-up, kulturfreundlich“. Das ist Schwarz-Weiß-Malerei, die keinem wirklich hilft...
 
Was war die Aufgabe im Studienauftrag?
MS: Das Planungsverfahren für das Maag-Areal läuft seit fast zehn Jahren. Es begann mit einem städtebaulichen Wettbewerb, den Diener & Diener und das Büro Börtsch gewonnen haben. Ihr Entwurf mündete in einem Gestaltungsplan, von dem bereits viele Teile umgesetzt sind. Wir reden hier nun über den letzten Bauabschnitt des Maag-Areals, der Maaglive genannt wird. Der Gestaltungsplan setzt die rechtliche Grundlage für die Bebauung und damit auch für unser Vorgehen. Er sieht einen erhöhten Grünflächenanteil vor, der den Abriss der Maaghalle nahelegt. Das denkmalgeschützte K-Gebäude aus den 1940er Jahren sollte von seinen Anbauten befreit werden.
Tom Geister: Die Bauherrschaft wollte ausloten, was auf dem Grundstück möglich ist. Wir haben gemäß Gestaltungsplan die sogenannte Lichtgasse geöffnet, um das K-Gebäude freizustellen, haben 3.500 Quadratmeter Freiflächen eingeplant und unter Einhaltung der maximalen Bauhöhe die Flächen realisiert, die laut Plan auf dem Grundstück möglich sind.

Was genau schlagen Sie für das Areal vor?
TG: Wir haben zwei flexible Baukörper entwickelt, die mit dem K-Gebäude über einen Stadtplatz hinweg kommunizieren und jeweils verschiedene Raumangebote machen. Das ist vielfältiger als der Ist-Zustand mit seinen mehr oder weniger monofunktionalen Industriehallen. Das K-Gebäude bleibt Loft mit Wohn- bzw. Ateliernutzung; das ehemalige Foyer wird wieder zum Club und Veranstaltungsraum. Dazu haben wir ein Kulturhaus vorgeschlagen, das weitere Kulturflächen zugunsten eines grünen Stadtplatzes stapelt. Im Hochhaus sind in den Obergeschossen Wohnungen, Büros und Hotelzimmer, im EG und 1. OG öffentliche Nutzungen möglich.
MS: Die Idee ist, Raumqualitäten und Dimensionen vorzugeben, die man bei verändertem Bedarf umbauen kann. Wir nennen das „Loose Fit“. Die Nutzung der kommenden 100 Jahre kann vielfältig sein. Die Marktanalysten haben das als sinnvoll bestätigt.
 
Unser Autor Hubertus Adam sieht die Ursache für die vielstimmige Kritik im Vorgehen von Stadt und Auftraggeberin. Die Stadt habe es verpasst, die gesetzgeberischen Weichen zu stellen, damit die Maag-Hallen erhalten bleiben können. Der Bauherr habe trotz des öffentlichen Interesses an dem Projekt äußerst ungeschickt kommuniziert. Wie haben Sie den Prozess bisher erlebt?
MS: Aus unserer Sicht ist das auch der langsame Gang demokratischer und partizipativer Planungsinstrumente. Es ist ein privates Verfahren, aber es wurde wie ein öffentliches ausgeschrieben, weil es eine ordentliche Jury gab mit drei Kolleg*innen von der ETH (Dietmar Eberle, An Fonteyne und Mike Guyer, Anm. d. Red.). Die eingeladenen Teams sollten in der ersten Runde zwei Varianten ausarbeiten: einmal mit Abriss der Maag-Hallen, einmal mit deren Erhalt.
TG: Nach der ersten Runde beauftragte die Jury drei Teams, eine Variante für den Erhalt der Maag-Hallen auszuarbeiten und drei Teams, eine Variante mit Abriss und Neubau zu verfolgen.
 
Sauerbruch Hutton gehörte zu den Teams, die die Abriss-Variante verfolgen sollten.
MS: Unser Vorschlag passte sehr gut zu den Ergebnissen einer Marktanalyse, die die Swiss Prime Site beauftragt hatte. Diese hatte festgestellt, dass das Angebot für große Räume wie die Maag-Hallen in der Stadt gesättigt sei. In der Nähe gibt es das Toni-Areal mit mehreren Sälen, den Schiffbau und das Puls 5. Es gibt die Rote Fabrik, die Halle 622 und The Circle am Flughafen mit Konferenzmöglichkeiten in allen Variationen. Man empfahl uns, kleinere, leicht bespielbare Räumlichkeiten zu planen, die man flexibel zusammenschalten und ins Quartier integrieren kann.
 
Haben Sie im Vorfeld analysiert, wieviel graue Energie im Bestand steckt? Welche Argumente haben Sie für Abriss und Neubau?
MS: Wir wissen von anderen Projekten sehr gut, wieviel der Erhalt eines Bestandsgebäudes bringt, selbst wenn es nur der Rohbau ist. In Zürich ist das aber anders, da die bestehenden Stahlhallen auch bei Abriss ein hohes Recyclingpotential haben. Natürlich ist der Weiterbetrieb eher schlecht, da man davon ausgehen kann, dass der Bestand energietechnisch keine optimale Situation darstellt; die jetzige Nutzungssituation stammt aus einer Zeit, in der Industrieanlagen leer standen. Inzwischen sind die Maag-Hallen von hochwertigem Wohnungsbau umgeben, das Areal ist verkehrstechnisch sehr gut angebunden. Man muss fragen, ob die Parasitärnutzung einer Industriehalle in diesem Quartier noch eine Zukunft hat. Wir argumentieren, im Sinne einer zukunftsfähigen Struktur jetzt in einen Neubau zu investieren.
 
Warum haben Sie kein Holzhochhaus vorgeschlagen?
MS: Wir haben aktuell einige Holzhäuser in Planung und wissen, wie steinig der Weg zum Holzhochhaus noch ist. Das ist ein Energie-, Brandschutz- und Kostenthema. Wir können uns natürlich auf jeden Fall einen Holzhybrid vorstellen und prüfen gerade die Realisierbarkeit, wobei wir eine Lebenszyklus-, Betriebs- und Kostenanalyse erstellen.
TG: Man kann Holz- und Betonhochhaus nicht so eindeutig gegeneinander ausspielen. Es gibt Materialmangel beim Holz und immer bessere Betontechnologien. In ein bis zwei Monaten wollen wir eine Entscheidungsvorlage präsentieren. Beim Kulturhaus sind wir uns aber bezüglich der Verwendung von Holz recht sicher.
 
Sie betonen, dass Flexibilität und Dialog die Grundeigenschaften Ihres Vorschlags sind. Kann das Projekt also eventuell auch ganz anders werden als von Ihnen visualisiert?
MS: Das würde ich nicht ausschließen. Im Vergleich mit Berlin hat Zürich eine gute Diskussionskultur. Es gibt eine sensible, aufmerksame Stadtgesellschaft und eine Bauherrschaft, die trotz ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung dialogbereit ist. Unser Entwurf ist in Stufen gedacht, die den Erhalt des Hallenbereiches, der als Tonhallenprovisorium diente, rein baulich zulassen würden. Aber auch im Fall des neuen Kulturhauses würden wir den Dialog mit zukünftigen Nutzern sehr begrüßen.


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