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04.06.2021

Leuchtturm Künstlerhochhaus

Kollektiv A planen im Münchner Domagkpark


Das Areal der ehemaligen Funkkaserne im Norden von München genießt unter Künstler*innen bis heute einen legendären Ruf. Nachdem 1993 die militärische Nutzung aufgegeben worden war, gab es hier bis 2011 zu Hochzeiten gut 300 Ateliers. Bekannt wurde das Gelände unter dem Namen Domagkareal. Vor ziemlich genau 20 Jahren begann dessen Konversion nach einem Masterplan von Ortner & Ortner Baukunst. Heute nennt sich das Stadtviertel Domagkpark und umfasst mit dem genossenschaftlichen Wohnprojekt wagnisART eine der spannendsten Münchner Wohnanlagen der letzten Jahre.

Direkt neben den fünf polygonalen, mit Fußgängerbrücken verbundenen Häusern von wagnisART liegt das letzte Atelierhaus der ehemals riesigen Künstler*innenkolonie – eine dreiflügelige Anlage, die laut Masterplan um einen vierten Flügel ergänzt werden sollte. Keine überzeugende Idee für Lars Mentrup, seit 1998 Vorsitzender des Kunstvereins DOKU, der auf dem Domagkareal Häuser verwaltet hat und am Betrieb des letzten Atelierhauses beteiligt ist. Auf einem Workshop im Jahr 2018 entwickelt er – unter anderem mit den beiden Münchner Architekten Thorsten Werner und Marco Hölzel – die Idee, an Stelle des vierten Flügels ein Hochhaus mit Ateliers zu planen. So will DOKU neue, bezahlbare Arbeitsräume in München schaffen.

Ein Hochhaus mit Werkstätten, Ausstellungsräumen, Studios, Ateliers und einer öffentlich zugänglichen Dachterrasse? Mentrup – seit vielen Jahren politisch aktiv und seit letztem Jahr auch Abgeordneter der SPD im Münchner Stadtrat – gibt zu, dass das in der Tat ein wenig größenwahnsinnig klingt. Doch er ist zuversichtlich, denn allein der genius loci des Areals spreche schon für sich. Wichtiger ist freilich die politische Ebene: Sowohl der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann als auch der Münchner Kulturausschuss stehen hinter dem Projekt. Letzterer gab einstimmig eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, deren Ergebnisse laut Kommunalreferat im Spätsommer vorliegen sollen. Der Boden gehört der Kommune, bauen will man in Erbpacht. Einziges Problem: Der Bebauungsplan sieht an dieser Stelle kein Hochhaus vor, er muss also geändert werden.

Mindestens so wichtig wie die planerischen Rahmenbedingungen ist ein überzeugender Entwurf. Den legte im letzten Jahr das von Benedict Esche geleitete Kollektiv A vor. Die suggestiven Visualisierungen des ambitionierten Kulturbaus wecken Erinnerungen an die Art und Weise, wie beispielsweise Bruther oder Kempe Thill solche Bauaufgaben angehen und umsetzen. Der streng durchgezeichnete 17 Geschosser soll unterschiedlich große Ateliers bieten, teilweise als Split-Level oder Duplex. Um die Kosten niedrig zu halten, setzen die Beteiligten auf Eigenausbau. Besonderen Wert legen sie auf den „urbanen Sockel“ des Hochhauses. Hier planen sie Sitzstufen, terrassenartige Plateaus, Ein- und Durchblicke sowie spezifische Nutzungen, die sich explizit dem Außenraum zuwenden.

Momentan versucht DOKU die Finanzierung des Projekts voranzutreiben. Mentrup hofft darauf, mit dem visionären Kunstturm einen „Münchner Gemeinschaftssinn“ wecken zu können und möglichst viele Akteure und Institutionen aus dem Kulturbereich zu gewinnen. Clever ist in diesem Zusammenhang auch die immobilienwirtschaftliche Differenzierung zwischen Ateliers und Studios in der aktuellen Planung. Die Ateliers sollen günstig an Künstler*innen im eigentlichen Sinn vermietet werden, die weiter oben im Haus gelegenen Studios an kommerzielle Akteure der Kreativbranche, wobei mit sukzessiver Refinanzierung der Anteil kommerzieller Mieter*innen reduziert werden soll. „Mit zunehmender Tilgung des Fremdkapitals kann sich die Kunst Stockwerk für Stockwerk zurückerobern,“ schreiben die Initiatoren. Es klingt wie der Nachhall des alten anarchistischen Geistes des Domagkareals. (gh)


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