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19.11.2020
Kuratorin, Forscherin, Lehrende
Zum Tod von Marion von Osten
Sie hatte noch viel vor. Cohabitation, das Zusammenleben von Mensch und Tier in urbanen Räumen, war das Thema, das ganz aktuell auf Marion von Ostens Agenda stand. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Künstler und Kurator Peter Spillmann, sowie dem Team von ARCH+ bereitete sie eine Ausstellung dazu vor, die im Frühsommer 2021 in Berlin eröffnen soll. Doch Marion von Osten wird nicht mehr dabei sein. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, verstarb sie am vergangenen Samstag, dem 14. November 2020 im Kreis ihrer Angehörigen und Freunde in der Nähe von Berlin. Sie wurde 57 Jahre alt.
Kuratorin, Forscherin, Lehrende, Autorin, Herausgeberin – die 1963 geborene Marion von Osten war vieles und vor allem eins: eine produktive, kritische Denkerin und feste Größe im zeitgenössischen Kunst- und Architekturdiskurs. In ihren zahlreichen, stets interdisziplinär angelegten Publikations- und Ausstellungsprojekten setzte sie sich unermüdlich mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen unserer Zeit auseinander, äußerte sich zu postkolonialer Theorie, Migration und Feminismus ebenso wie zum Verhältnis von Kultur und Ökonomie.
Besonderes Augenmerk legte sie immer wieder auch auf urbanistische Themen und die Rezeption der Moderne. Noch 2019 trug sie mit der gemeinsam mit Grant Watson für das Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin kuratierten Ausstellung „bauhaus imaginista“ zu einer neuen Lesart des Bauhaus als globaler Resonanzraum bei. „Indem wir den nationalen Rahmen verlassen und das Bauhaus dezentrieren, schlagen wir vor, die Moderne als ein kosmopolitisches Projekt zu verstehen, das durch transkulturellen Austausch entstanden ist und aufgrund dieses Dialogs bis heute weiterwirkt“, erklärte von Osten dazu im Baunetz-Interview.
Elf Jahre zuvor verantwortete sie das ebenfalls im HKW präsentierte Ausstellungsprojekt „In der Wüste der Moderne“ mit, zu dem damals die Baunetzwoche#89 erschien. Die Schau rückte die Wechselwirkungen zwischen Kolonialherrschaft und der europäischen Moderne in den Fokus der Aufmerksamkeit und verdeutlichte am Beispiel von Bauvorhaben der 1950er und 60er Jahre in Marokko, Algerien und Tunesien, wie die in Nordafrika erprobte Massenbauweise in die Vorstädte westeuropäischer Metropolen wie Paris und London wanderte.
Bevor sie in den frühen 1990er Jahren als Ausstellungsmacherin in Erscheinung trat, hatte Marion von Osten ein Kunststudium an der Akademie der bildenden Künste Karlsruhe absolviert. Von 1996–98 war sie Kuratorin an der Shedhalle Zürich, anschließend begann sie auch zu lehren. 1999–2006 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Professorin für künstlerische Praxis am Institut für Theorie der Kunst und Gestaltung in Zürich, 2006–2012 war sie Professorin für Kunst und Kommunikation am Institut für das künstlerische Lehramt der Wiener Akademie der bildenden Künste. Dazu kamen zahlreiche, teils langjährige Kollaborationen mit internationalen Kulturinstitutionen wie dem Bauhaus Dessau. Darüber hinaus brachte von Osten als Autorin und Herausgeberin eine Vielzahl von Publikationen in die Welt, darunter „Be creative. Der kreative Imperativ“ (2003), „Norm der Abweichung“ (2003), „Das Erziehungsbild. Zur visuellen Kultur des Pädagogischen“(2010), „Transkulturelle Moderne“ (2013) und der Katalog zu „bauhaus imaginista“ (2019).
Marion von Osten war „eine Kuratorin von Situationen, in denen wir die Welt mit anderen Augen betrachten und dadurch die Chancen erkennen, wie wir sie für alle ein Stück weit verbessern können“, schreibt ARCH+Redakteur Christian Hiller, der in den letzten Jahren viel mit ihr zusammengearbeitet hat, in seinem sehr persönlichen Nachruf. „Ihr Beitrag zur Veränderung des Diskurses wird noch über viele Jahre nachwirken und nachhallen.“ Die Akademie der bildenden Künste Wien hat auf ihrer Webseite ein digitales Kondolenzbuch eingerichtet.
Text: Diana Artus
Zum Thema:
Ein 2017 von Maria Hlavajova und Tom Holert herausgegebener und im niederländischen Verlag Valiz erschienener Reader mit dem Titel „Marion von Osten: Once We Were Artists“ dokumentiert von Ostens künstlerisches, kuratorisches und theoretisches Werk.
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