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23.11.2020
Kläranlage wird Klassenzimmer
Umnutzung von Max Zitzelsberger in Berngau bei Neumarkt in der Oberpfalz
„Man braucht nur einen unglaublichen Bürgermeister, einen weitsichtigen Soziologen, außergewöhnliche Schulleiter, visionäre Mitarbeiter bei den zuständigen Behörden, Handwerker, die ihrem Beruf alle Ehre erweisen und eine mutige Gemeinde – schon lässt sich ein Projekt realisieren, das so in Bayern eigentlich undenkbar war“, schreibt der Architekt Max Otto Zitzelsberger (München/Kneiting) über sein neuestes Projekt. Die Rede ist von der im Sommer fertiggestellten „Erkläranlage“ des Örtchens Berngau in der Oberpfalz. Auf dem Gelände einer teilweise aufgelassenen Kläranlage entstand ein inklusiver Möglichkeitsraum für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen.
Dass sich ein solches Projekt ausgerechnet hier, in einer bayerischen Landgemeinde und unter dem Bürgermeister einer konservativen Partei realisieren ließ, hat auch mit der Lage Berngaus zu tun. Im erweiterten Einzugsbereich von Neumarkt gelegen, gibt es in der Verwaltung ein Bewußtsein für die Herausforderungen, die sich aus schleichenden Urbanisierungsprozessen ergeben. Vor Jahren wurde deshalb der Soziologe Klaus Zeitler betraut, die Gemeinde bei diesen Veränderungen zu begleiten. Im Rahmen einer Ideenwerkstatt mit Bürgerbeteiligung wurde denn auch die Grundidee für die Erkläranlage entwickelt. Auf dem spannenden Gelände der ehemaligen Kläranlage sollten die ortsansässigen Schulen ein sogenanntes „grünes Klassenzimmer“ bekommen.
Zitzelsberger hat hierfür einen lichten Holzpavillon als Versammlungs- und Forschungsort errichtet, der zum Schutz vor Hochwasser auf einem Betonsockel steht. In die Planung integriert wurde außerdem der alte Tropfkörper, der bis in die 90er Jahre Abwässer filterte. Der Rundbau wurde zugänglich gemacht und mit einer hölzernen Krone versehen, um die Sichtbarkeit und den sozialen Anspruch des Projekts zu unterstreichen. Die bestehenden Teerflächen auf dem Gelände wurden absichtlich nicht erneuert, um eine gewisse Offenheit zu bewahren und damit „den inspirierenderen Zustand der Unfertigkeit zu feiern”, wie Zitzelsberger angibt. Kinder fänden unvollkommene Räume schließlich immer interessant. Auch dass der Bauhof auf dem Gelände noch immer Materialien und Container lagert, passt gut zu diesem Konzept. An Anregungen zum Experimentieren und Forschen fehlt es also nicht.
Neben dem Pavillon sorgt in Richtung Umgehungsstraße ein Holzzaun für Schutz gegen Lärm, Sicht und das neue Klärbecken dahinter. Eine ebenfalls von Zitzelsberger und seinem Team gestaltete Holzbrücke verbindet das Gelände, über einen Bach hinweg, mit der im Dorfkern gelegenen Schule. Die einzelnen Bausteine der Erkläranlage interagieren räumlich, sie stehen in Relation zueinander, aber sie wirken zugleich in ihrem Wechselspiel angenehm zufällig.
Brücke, Zaun und die Möblierung des Ensembles wurden gemeinschaftlich von Jugendlichen der Lebenshilfe, der Schule und Zimmerlehrlingen der örtlichen Berufsschule gebaut – schließlich sollte die Erkläranlage nicht erst nach Fertigstellung ein Ort gelebter Inklusion sein. „In den gemischten Teams gab es anfangs noch Berührungsängste, doch wer zusammen arbeitet, schraubt, sägt, malt und Brotzeit macht, hat nach spätestens drei Stunden keine Vorbehalte mehr“, so Zitzelsberger. (tl)
Fotos: Sebastian Schels
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Kommentare:
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Der neu errichtete Pavillon...
...und der bestehende Rundbau des ehemaligen Tropfkörpers dominieren das „grüne Klassenzimmer".
Gleich nebenan befindet sich der Gemeindebauhof.
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