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11.09.2020
Ich schwör’ auf Rütli
Schulcampus in Berlin von Schulz und Schulz
Dass eine Schule mitten in Berlin-Neukölln nach einer Wiese über dem Vierwaldstättersee benannt ist, verwundert vielleicht. In räumlicher Hinsicht könnten diese beiden Orte gegensätzlicher jedenfalls nicht sein. Zumindest aber stehen sie beide für den Versuch, sich gegen widrige Mächte zur Wehr zu setzen. In der Schweiz ging es beim berühmten Rütlischwur um den Aufstand gegen die Habsburger, in Berlin um die verfehlte Bildungspolitik. Die wurde 2006 im oft zitierten „Brandbrief“ durch das damalige Kollegium der Schule kritisiert, was einen bis heute andauernden Reformprozess der Institution angestoßen hat. In architektonischer Hinsicht wurde dieser Prozess vor allem durch Schulz und Schulz (Leipzig) begleitet, die 2011 zusammen mit Stefan Bernard Landschaftsarchitekten (damals: Bernard und Sattler Landschaftsarchitekten, Berlin) einen entsprechenden Realisierungswettbewerb gewinnen konnten.
Ausgangspunkt der baulichen Maßnahmen war die Umwandlung der einstigen Rütli-Hauptschule in eine Gemeinschaftsschule unter Einbeziehung der benachbarten Franz-Schubert-Grundschule und der Heinrich-Heine-Realschule. Seit 2011 gibt es außerdem eine gymnasiale Oberstufe. Unter dem Projekttitel „Campus Rütli CR2“ wurden weitere nachbarschaftsbezogene Einrichtungen von der Kita über ein Stadtteilzentrum bis hin zu Gesundheitsdiensten und berufsorientierten Angeboten auf dem Gelände zusammengefasst. Einen ersten städtebaulichen Ideenwettbewerb gewann 2009 das Berliner Büro Plus 4930, das schließlich auch 2012 mit einer Sporthalle den ersten Ergänzungsbau auf dem Campus errichten konnte.
Die in diesem Sommer offiziell eingeweihten neuen Gebäude von Schulz und Schulz schreiben diese Vorgeschichte fort, indem sie sich zur Rütli-Straße als zentraler Achse der Anlage orientieren. War diese noch bis 2003 öffentlicher Straßenraum, ist sie inzwischen Teil des Schulgeländes. Die Architekt*innen lassen hier nun mittels einer L-förmigen Erweiterung des Altbaus einen zentralen Platz entstehen. Auch das zweigeschossige Stadteilzentrum, ebenfalls von Schulz und Schulz, befindet sich hier. Ansonst bleibt aber auch noch viel Freifläche für eine ordentliche Begrünung des Geländes.
Alle Gebäude folgen einer ähnlichen Formensprache, basierend auf einer Verkleidung mit Betonfertigteilen. Nur die oberen Geschosse des Schulneubaus, wo nach einer Übergangszeit die Grundstufe beheimatet sein wird, ist verputzt. Jeweils zwei Einheiten aus Klassenzimmern, Gruppenräumen und Teambereichen für die Lehrkräfte teilen sich einen Flur, die einzelnen Räume sind aber auch direkt miteinander verbunden. Milchglaswände treffen auf weißen Putz und farbige Akustikflächen, Beton in den Fluren auf Parkett in den Klassenzimmern.
Die Erschließungsachsen sind dabei mit dem Altbau verzahnt, der Haupteingang der Schule führt über die Erweiterung. Im Erdgeschoss der beiden Gebäude befinden sich außerdem übergreifende Einrichtungen wie Mensa, Bibliothek und Freizeiträume. Ein achteckiger Speisesaal befindet sich gerade noch in der Fertigstellung. Insgesamt umfassen die Maßnahmen eine Bruttogrundfläche von rund 10.000 Quadratmetern, von denen 5.700 auf den Erweiterungsbau entfallen. Auch ein eigenes Werkstattgebäude gibt es.
Durch die Maßnahmen ist an der Rütli-Schule nun Platz für 1.150 Schüler*innen. Dass sich die einstige Problemeinrichtung langsam in ein Erfolgsmodell verwandelt, ist aber nicht nur auf die Reformen und Investitionen der letzten anderthalb Jahrzehnte zurückzuführen. Auch der zugehörige Kiez hat sich seither fundamental gewandelt. Die Zeiten, in denen Kinder aus privilegierteren Familien zur Einschulung in benachbarte Bezirke gekarrt wurde, scheinen langsam vorbei zu sein. (sb)
Fotos: Gustav Willeit
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